Rezension

Des Musikers rhythmisches Romandebut

flüchtig - Hubert Achleitner

flüchtig
von Hubert Achleitner

          "flüchtig" ist der erste Roman und die erste schriftstellerische Veröffentlichung des österreichischen Musikers, Sängers und Liedermachers Hubert von Goisern, dessen musikalisches Werk ich seit ca. 20 Jahren begeistert verfolge. Da seine Liedtexte klug, wortgewaltig und oft von einer bestechenden Eindringlichkeit sind, war es für ihn ein vollkommen natürlicher Schritt, den künstlerischen Genrewechsel zu vollziehen und sich auch in der Literatur zu versuchen. Dies geschieht jetzt aber unter seinem Geburtsnamen Hubert Achleitner, womit eine Grenze zu seinem musikalischen Ich gesetzt sein dürfte.

Mit 55 Jahren ist Maria auf der Suche nach sich selbst. Ihre eingefahrene, unfruchtbare Ehe mit Herwig ist gescheitert, Sport ist Marias Ersatzbefriedigung Nummer Eins. Ein bestimmtes Ereignis bringt das Fass allerdings zum Überlaufen und Maria zieht sich aus ihrem alten Leben raus, sie entflieht, wird "flüchtig". Sie geht auf eine Reise, die sie in den Süden und irgendwie auch zu sich selbst führt.

Achleitner gelingt es auf gekonnte Art und Weise und ganz ohne erhobenen Zeigefinger, Reflexionen über Gott und die Welt in seine Prosa einzustreuen. Manchmal wirds politisch, manchmal philosophisch. Auch Glaube, Religion und Spiritualität sind wichtige Themen des Buches. In welchen irdischen Dingen manifestiert sich das Glück, kann man es festhalten oder ist es eben, wie Maria und der Titel, flüchtig?

Dass Achleitner im Hauptberuf Musiker ist, merkt man seinem Buch deutlich an. Überall wimmelt es von Melodien, Tonarten, Tonträgern, Klangfarben, Gesang, onomatopoetischen Wendungen, unterschiedlichen Darbietungsformen von Musik, berühmten und unberühmten Musikern, Instrumenten und dergleichen mehr. Seine Figuren machen Musik, hören Musik, sie leben die Musik. Manchmal arbeiten sie sich auch an ihr ab oder kritisieren sie in ihren Spielarten: Genres, Musiker, Musicals, Komponisten. Musik steht auch für das absolute Präsens, die unverbrüchliche Hingabe an den Moment, das Hier und Jetzt.
Auch das Leben von Achleitners Protagonisten läuft ab wie ein Song, bei dem sie gelegentlich aus dem Takt geraten. Sie haben ihren ganz eigenen Rhythmus, Intermezzi, Tempi und ihre Grundmelodie des Herzens ist das Leitmotiv, dem sie folgen.

Erotik ist auch ein zentrales Thema des Buches. Es ist eine Sinnlichkeit, die auch der Musik innewohnt, der sich seine Figuren hingeben. Fast schon ein Liebesreigen, mal hier mal dort, an jedem Ort - nichts ist für die Ewigkeit, flüchtig eben.

Sehr häufig bedient sich der Autor auch der atmosphärischen Beschreibung von Wetterlagen. Dies hat etwas sehr archaisches, das Leben bestimmt von den Gezeiten und von der Witterung, vom Kreislauf der Natur.

Den einzigen klitzekleinen “Kritikpunkt”, den ich an "flüchtig" habe, ist die Tatsache, dass der Autor sich gelegentlich in Nebengeschichten verliert und für die doch relativ moderaten knapp 300 Seiten etwas viele Randfiguren ins Spiel bringt. Zum Beispiel geht es dann plötzlich ganz ausführlich um die Geschichte des Jugendfreundes von Marias griechischem Geliebten oder um die Story des Freundes von Herwigs Vater aus dem Seniorenheim. Richtig gestört haben mich diese digressiven Schlenker zwar nicht, aber es lenkt doch ein wenig von der Haupthandlung ab und verleiht dem Roman etwas "Wimmelbuchhaftes", frei nach dem Motto: Schaut her, diese Person hat auch eine interessante Geschichte und diese auch und erst diese hier! Es passt aber auch irgendwie zu dem Buch und zu den “Bienen-artigen” Romanfiguren, die von einer Blume zur nächsten fliegen, so macht es eben auch der Erzähler.

Alles in allem aber will ich sagen, dass Achleitner ein wundervolles Romandebut hingelegt hat, das nicht nur den Fans von Hubert von Goisern gefallen dürfte. Es ist rhythmisch, erotisch, nachhallend und warmherzig, kurz: sehr empfehlenswert! Und dafür, dass es ein Debutroman ist, ziehe ich voller Respekt meinen Hut vor diesem vielseitigen Künstler!