Rezension

Detailreicher, auf Tatsachen beruhender historischer Roman

Das Floß der Medusa
von Franzobel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Franzobel ist der Künstlername eines vielseitigen österreichischen Schriftstellers. Ein Markenzeichen soll sein skurriler Humor sein.

Sein aktueller, auf Tatsachen beruhender Roman "Das Floß der Medusa" sticht ebenfalls durch seinen grotesken Humor aus, ein Stilmittel, dass den Inhalt erst erträglich macht. In dieser Rezension soll es weniger um den Inhalt - dafür gibt es bereits einige sehr gute Rezensionen, siehe Links - als um den Stil gehen.

In aller Kürze zum Inhalt: Im Juli 1816 wird auf offener See, weit vor der Küste Westafrikas, ein Floß mit 15 ausgemergelten Menschen gefunden. Es sind die Überlebenden von 147 ausgesetzten Passagieren der Medusa, für die es bei den wenigen Rettungsbooten keinen Platz gab. 

Franzobel beginnt die Geschichte mit der Rettung der Überlebenden, sein ungewöhnlicher Schreibstil fällt schnell auf („„…oder wilde, entmenschlichte Bestien, Pissköpp!, …“). Zwischendurch erwähnt er andere historische Vorfällen (Konzentrationslager), oder verbildlicht Charaktere, indem er Schauspieler als Vergleich setzt (Alain Delon usw.). Gekonnt schafft er es, die vielen verschiedenen Charaktere mit Ankern (z.B. ein Spruch, ein Bild) zu versehen, sodass der Leser die Übersicht behalten kann. Hervorstechend ist das breite Vokabular des Autors - und das nicht nur bei den detaillierten Darstellungen der Segelschiffe.

Die bestialischen Szenen beginnen nicht erst mit dem Kentern des Schiffes; bereits nach kurzer, gemächlichen Fahrt erfährt der Leser von ungewöhnlichen, kaum vorstellbaren Greueltaten; wo der Mensch derjenigen Zeit wohl eher bloß den Kopf schütteltet, hinterlässt es beim heutigen Leser einen Kloß im Hals und viele Fragezeichen…

Einziger Wehrmutstropfen, den ich bemängele, ist das Fehlen der Anführungszeichen bei wörtlicher Rede, was, soweit ich weiß, selbst von Autoren kritisiert wird.

Ein durch und durch gelungenes Buch.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. November 2017 um 19:08

Du hast es geschafft. Sehr gut. Ja, der Franzobel, ich weiß nicht, ob ich seine anderen Bücher auch mögen tät, hier hat der Zynismus und der Spott gepasst.

sphere kommentierte am 16. November 2017 um 19:51

Ich habe mir jedenfalls ein Leserunden-Verbot auferlegt, die letzten Monate habe ich nicht mehr die Ruhe, zu lesen. Nur noch Hörbücher...

wandagreen kommentierte am 16. November 2017 um 20:03

Hörbücher sind auch Bücher.

sphere kommentierte am 16. November 2017 um 21:51

So schnell ändert sich das Geschehen: mein neuer Lieblings-SF Autor hat sein neues Buch raus, das lese ich ab heute...auf meinem...Handy!!! (war eine Tagesaktion auf amazon; sobald es im Januar rauskommt, kaufe ich es auch als Hörbuch). 

Juhuu, ich freue mich! :)

wandagreen kommentierte am 16. November 2017 um 21:52

Und wer ist das?

sphere kommentierte am 16. November 2017 um 22:03

Phillip P. Peterson (Künstlername)

Ist das fünfte Buch, was ich von ihm in diesem Jahr lese/höre. Eins fehlt mir noch (liegt als Print-Ausgabe neben dem Bett, aber...siehe oben..)

 

yvy kommentierte am 16. November 2017 um 22:18

Ich mag seine Schreibe auch sehr gern. Welches ebook ist es denn? Ich schlage bei den Aktionen auch immer gern zu und die Transport-Hörbücher konnten mich auch fesseln.

sphere kommentierte am 16. November 2017 um 22:47

Paradox 2. Das war vor ein paar Tagen als Aktion drin, ich habe heute erst verstanden, wie ich das ebook auf mein Handy kriege (musste die Kindle-App runterladen...) :)

yvy kommentierte am 16. November 2017 um 22:17

Super. Du bist durch und gefallen hat dir die Story auch noch. :)