Rezension

Deutsch-Deutsche Zeitreise

Margos Töchter
von Cora Stephan

Bewertet mit 3 Sternen

Margos Enkelin Jana Seliger möchte unbedingt mehr über ihre Familiengeschichte herausfinden und hat schon vor längerer Zeit Anträge für Akteneinsicht von Stasiunterlagen an die zuständigen Behörden gestellt. Endlich erhält sie die Erlaubnis dazu und taucht ab in die Vergangenheit ihrer Mutter Leonore und deren Freundin Clara. Dabei deckt Jana ein altes Geheimnis auf…
Leonore wächst in den 60er Jahren gutsituiert in Norddeutschland auf und schlägt etwas aus der Art. Sie wird von anderen als Außenseiterin abgestempelt, findet keinen Anschluss und sucht noch ihren Platz in der Welt. Einzig zu ihrer Brieffreundin Clara, die in der DDR lebt und die sie durch ein gemeinsames Ferienlager kennt, hat sie ein engeres Verhältnis. Leonores rebellische Art und Selbstfindungstrip hält auch während ihrer Jugendzeit und des Studiums an. Währenddessen hat sich Clara dafür entschieden, für den Staatssicherheitsdienst tätig zu sein und für einen wichtigen Auftrag in die BRD zu gehen. Bevor sie die neue Aufgabe antreten kann, bekommt sie ein Kind…

Cora Stephan hat mit „Margos Töchter“ die Fortsetzung von „Ab heute heiße ich Margo“ vorgelegt, jedoch ohne Probleme separat gelesen werden kann. Der flüssige, bildhafte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Handlung eintauchen, wo er sich an der Seite von Jana wiederfindet, die er bei der Suche nach ihrer Familiengeschichte begleitet. Die Autorin erzählt ihre Geschichte auf unterschiedlichen Ebenen, so hält der Leser sich nicht nur mit Jana in der Gegenwart auf, sondern erlebt sowohl Leonores als auch Claras Werdegang in den 60er/70er/80er und 90er Jahren mit, wobei sich der eine Teil in der ehemaligen DDR abspielt und der andere in Westdeutschland, und am Ende der Mauerfall steht. Der historische Hintergrund wurde mit der Handlung gut verknüpft und spiegelt nicht nur das beklemmende DDR-Regime und seine Bespitzelungen wieder, sondern lässt auch die Zeit des RAF-Terrors, die Studentenaufstände sowie die Anti-Atomkraftdemos erneut aufleben. Der Leser macht während der Lektüre regerecht eine Zeitreise, wobei alte Erinnerungen hochkommen und wieder sehr real vor dem inneren Auge erscheinen. Obwohl die Zeitreise durch die letzten Jahrzehnte deutscher Geschichte sehr anschaulich eingebunden sind, wirkt die Handlung oftmals sehr zäh und langatmig, was den Lesegenuss etwas schmälert.

Die Charaktere sind wie aus dem täglichen Leben gegriffen, haben menschliche Ecken und Kanten, die sie natürlich und realistisch wirken lassen. Trotzdem bleiben sie für den Leser unnahbar, vielmehr befindet sich dieser auf einem Beobachtungsposten und verfolgt ihr Tun wie durch ein Fernglas. Leonore stammt aus bürgerlichem Hause, ist wissbegierig und neugierig auf die Welt. Sie will alles ausprobieren, vom Leben kosten und ihren eigenen Platz finden. Clara weiß schon sehr früh, was sie vom Leben will und stellt all ihr Handeln und Tun in den Dienst des Regimes. Sie ist ehrgeizig und doch belügt sie sich selbst. Jana ist eine getriebene Frau, die immer das Gefühl hat, dass ihr etwas fehlt. Aber sie lässt es nicht dabei bewenden und versucht mutig, die Lücken in ihrer Biografie zu schließen.

„Margos Töchter“ ist ein interessanter Abriss über die vergangenen Jahrzehnte Deutsch-Deutscher Geschichte, die eigentliche Familiengeschichte findet eher am Rande statt und wird nebenbei abgewickelt. Mangelndes Gefühl, unnahbare Charaktere sowie die streckenweise Langatmigkeit führen leider zu einer eingeschränkten Leseempfehlung!