Rezension

Deutsche Geschichte in der 50ern spannend, authentisch und unter die Haut gehend erzählt

Kinder ihrer Zeit - Claire Winter

Kinder ihrer Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Die Zwillinge Emma und Alice werden in früher Kindheit auf der Flucht aus Ostpreußen vor den herannahenden Sowjets getrennt und wachsen in völlig unterschiedlichen Systemen auf; so ist die eine überzeugte Westdeutsche, die andere überzeugte Kommunistin, als sie sich im geteilten Berlin der 50er Jahre wiedertreffen und tief in die düsteren Machenschaften der Mächte hineingezogen werden....

Claire Winter hat hervorragend recherchiert und erweckt die Deutsche Geschichte zu Zeiten des Kaltes Krieges in der fiktiven Erzählung um die Zwillinge Emma und Alice zum Leben. Besser als in jedem Geschichtsbuch begreift der Leser, was es mit den "Wolfskindern" auf sich hat, was die "Kampftruppe gegen Unmenschlichkeit" tat, wie Deutsche Wissenschaftler quasi als Reparationszahlungen in die Sowjetunion gezwungen wurden, dass die DDR Staatsflüchtlinge auf offener Straße im Westen brutal entführt hat, wie Menschen sich gegenseitig bespitzelt und verraten haben und der Unrechtsstaat seine Bürger unterdrückt hat und vor allem, wie das tägliche Leben im geteilten Berlin, aber noch ohne Mauer und mit offenen Grenzen vonstatten ging.

Die Handlung ist atemberaubend spannend und wird schließlich schier unerträglich, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollte. Mehr noch als in jedem anderen Thriller geht das GEschehen unter die Haut, weil jeder Leser sich bewusst ist, dass es zwar um fiktive Figuren geht, doch ausschließlich echte Tatsachen zugrunde liegen und all dies unsere Deutsche Geschichte ist.

Wenn das Buch auch schließlich mit dem (zu erwartenden) Berliner Mauerbau sein Ende findet, kommt es dennoch zu einem schönen Happy-End, das den Leser beruhigt abschließen lässt.

Die Figuren sind absolut authentisch und mehrdimensional gezeichnet und (abgesehen einmal von einem Mann) nicht einfach in Gut oder Böse einzuteilen. Ihr Handeln regt den Leser zum Nachdenken und Diskutieren an und zeigt meiner Meinung nach auch auf, warum und wie es im Kommunismus in großem Ausmaß zu den Bespitzelungen untereinander kommen und wie der Staat überhaupt seine Macht aufrecht erhalten konnte. Dabei wird klar, dass niemandem zu trauen ist.

Die wechselnden Erzählperspektiven geben ein umfassendes Bild des Geschehens und bringen die Gedanken und Gefühle der Figuren gut zu Tage. Überhaupt ist der Erzählstil fesselnd, die Sprache sehr gut und weist zahlreiche schöne Formulierungen auf. 

Ich bin begeistert von diesem Roman, der die Deutsche Vergangenheit so veranschaulicht und dabei eine fesselnde Geschichte über interessante Menschen erzählt. Eine Pflichtlektüre!!!
Wie schön, dass ich mit diesem Buch die Autorin Claire Winter kennenlernen durfte - ich freue mich noch auf viele weitere Bücher in diesem Stil!