Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Deutsche Geschichte mal lebendig - ein historisches Juwel

Das Haupt der Welt - Rebecca Gablé

Das Haupt der Welt
von Rebecca Gablé

Bewertet mit 5 Sternen

Nach Gablés historischen Meisterwerken war bereits zu Beginn klar, dass "Das Haupt der Welt" es keineswegs leicht haben würde, den doch ziemlich großen Erwartungen gerecht zu werden. Als riesiger Fan der Waringham Saga, war ich mir vor der Lektüre ehrlich nicht sicher, ob es möglich wäre, diese noch zu übertreffen. Im Laufe des Romans allerdings stellte sich heraus, dass ein Vergleich beider Werke praktisch unmöglich ist. Die Geschichte um den Slawenprinzen und Heiler Tugomir hat inhaltlich einfach nichts mit ihren vorigen Büchern gemein, überzeugt aber trotzdem auf ganzer Linie. "Das Haupt der Welt" war ja auch in sofern eine Premiere, dass es Gablés erstes Werk ist, das auf deutschem Grund und Boden spielt. Über die Zeit habe ich bis dato praktisch nichts gewusst, so dass ich voller Neugier mit dem Buch begann, in der Hoffnung auf ein Werk voller Farbenpracht, Geschichte und interessanter Charaktere.

Brandenburg 929:

Bei einem Überfall Heinrich des ersten, werden Slawenprinz Tugomir und Schwester Dragomira nach Sachsen verschleppt. Dort, in Magdeburg, sind sie Sklaven, ihrer fürstlichen Abstammung zum Trotz, denn zwischen beiden Völkern herrscht Krieg. Während Dragomira sich mit Prinz Otto einlässt und kurze Zeit darauf, ein Kind unter dem Herzen trägt, hat Tugomir weitaus mehr zu kämpfen. Zwar macht er sich durch seine Heilkunde einen Namen und rettet das Leben des Königssohnes, doch er ist stets zugleich Freund und Feind.
Das Leben fernab der Heimat macht ihm mächtig zu schaffen, und nicht nur die Frage der Religion ist äußerst heikel.
Der Feldzug gegen die slawischen Völker geht weiter und Tugomir muss dies großteils machtlos mit ansehen. Er hilft wo er kann, doch ein Graf macht ihm das Leben zur Hölle. All das gestaltet sich durch die Tatsache, dass Tugomir dessen Tochter liebt, natürlich nicht unbedingt einfacher..

Für Deutschlands König Heinrich, gesegnet mit einem hohen Alter, ist es an der Zeit einen Thronerben zu bestimmen. Die Wahl fällt auf seinen Sohn Otto, der sich für diese Entscheidung zuerst nicht wirklich begeistern kann. Henning, sein jüngerer Bruder giert nach Macht und im
Laufe der Zeit, kommt es zum Kampf um die Krone.

Meine Meinung:

Wie ich bereits in der Einleitung andeutete, wurden all meine Erwartungen vollends erfüllt, auch wenn ich zu Beginn noch ein klein wenig Skepsis empfand. Zwar nahm mich die Geschichte sofort in gewohnter Manier gefangen, doch anfangs fehlte mir noch ein Protagonist, mit dem ich vollends fiebern und leiden konnte. Nicht nur inhaltlich unterscheidet sich Gablés neuestes Werk von früheren Romanen, auch die Charaktere sind in vielerlei Hinsicht sehr verschieden. Doch damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass sie mir nicht gefielen.
Sicher, alle haben ihre Ecken und Kanten, doch gerade das ist auch wichtig, damit alles authentisch erscheint. Meiner Ansicht nach hatte Frau Gablé schon immer ein gewisses Talent, was die Gestaltung von Charakteren angeht, und dieses hat sie in ihrem neuesten Roman erneut unter Beweis gestellt. Besonders die Protagonisten sind sehr vielseitig und glaubwürdig. Auch besitzen sie die nötige Tiefe, um absolut überzeugen zu können.

Ein weiterer, großer Pluspunkt, ist der fantastische Stil. Von der ersten Sekunde an, konnte mich der Roman fesseln und ich merkte kaum, wie die Seiten nur so an meinem Auge vorbeizogen.
"Das Haupt der Welt" ermöglicht es, Zeit und Umgebung förmlich zu vergessen, und lässt einen bis zum Schluss nicht mehr los.

Auch wenn die Grundstimmung des Buches recht düster ist, bereits am Anfang konnte ich nicht umhin dies zu bemerken, driftet sie nie völlig in eine beklemmende Atmosphäre ab.
Natürlich wird der damalige Alltag schonungslos beschrieben, mit samt bitterer Armut und Gewalt, doch die Geschichte ist ausgesprochen vielschichtig, und berichtet auch über das Leben des Adels.
Viele Dialoge waren zudem mit einer Prise Humor gewürzt und haben mich von Zeit zu Zeit schmunzeln lassen. Besonders die bissigen, teilweise ironischen Kommentare von Thankmar und Tugomir, verliehen dem Buch eine ganz eigene Note.

Wieder einmal, war ich absolut erstaunt, wie gut es Frau Gablé gelungen ist, die doch recht trockenen Fakten deutscher Geschichte in einen spannenden und faszinierenden Roman zu verweben. Sie beweist eine Liebe zum Detail, die einem die mittelalterliche Zeit ausgesprochen gut vor Augen führt. Die Farbenpracht vieler Schilderungen, und all die authentischen Beschreibungen, konnten mir, denke ich, vieles aus dieser turbulenten Epoche vermitteln. All dies ging glücklicherweise nicht auf Kosten der Spannung. Gefallen hat mir ebenfalls das Nachwort, in dem richtig gestellt wurde, welche Fakten und Persönlichkeiten tatsächlich geschichtlich belegt sind, oder nur ein Auswuchs ihrer Fantasie.
Dabei gelang es Frau Gablé den ganzen Roman hindurch, wirklich gut, diese beiden Kategorien zu verwischen, ohne sich in jedwede Widersprüche zu verstricken. Wie immer war alles ausserordentlich gut recherchiert, was ja auch den Reiz ihrer Werke ausmacht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Autorin es wieder einmal geschafft hat, einen Roman zu schaffen, der nicht nur sehr geschichtsgetreu ist, sondern auch mit einer Menge Spannung, einem klasse Stil, und tollen Charakteren besticht.

Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass Frau Gablé sich unser erbarmt und eine Fortsetzung zu Papier bringt.
Die Geschichte gibt sicherlich noch einiges her!