Rezension

Deutschland und das neue Wir

Ich bin von hier. Hört auf zu fragen! - Ferda Ataman

Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!
von Ferda Ataman

Die Autorin mach bereits mit Titel des Buches auf das Grundproblem und gleichermaßen auf ihr Grundlagen aufmerksam: in Deutschland lebt eine große Zahl Deutscher mit Migrationshintergung (sie nennt es im Text immer wieder: Mihigrus). Sie heißen werde Günther noch Gaby, sondern tragen die traditionelle Namen der Herkunftsländer ihrer Vorfahren. Sie sind Deutsche, sie leben mitten unter uns und sie sind integriert - eben ein selbstverständlicher Teil des neuen Wir!

Wäre da nur nicht die unsanfte Realität: die Akzeptanz dieser Erkenntnis hat sich noch lange nicht zur Selbstverständlichkeit entwickelt.
Inhaltlich beschreibt Ferda Ataman dieses Dilemma. Sie schreibt es aus Sicht einer Betroffenen. Der erste Teil des Buches beschreibt gesellschaftliche Realitäten im Umgang miteinander: "Wurzeldeutsche" - Migranten - Bindesterich-Deutsche. Noch klafft eine deutliche Lücke zwischen eben diesen Realitäten und dem Herangehen an ein positives, gemeinsames "Wir".
Im zweiten Teil erfährt der Leser, welche Vorschläge die Autorin macht, um eine Entwicklung zu einem weltoffenen Deutschland voran zu treiben.

Mein Fazit:
Selten war ich von einem Buch derart hin- und hergerissen. Und in der Tat habe ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet, ob ich diese Tatsache positiv oder negativ werten soll. Wie kann das sein - wieso diese "innere Zerrissenheit"?

Einerseits gelingt es Ferda Ataman den Leser mit in die Sichtweise einer Betroffenen zu nehmen und in der Tat: versetzt man sich in ihre Lage, so kann man durchaus nachvollziehen, dass es allerhöchste Zeit für einen entspannten und gelassenen Umgang mit dem Thema Migration und allem was dazu gehört, zu finden. Letztendlich bedeutet es nichts anderes, als die vorhandenen Realitäten zu akzeptieren, die zweifelsfrei in großer Zahl vorhandenen positiven Aspekte zu erkennen und so unser gemeinsames Deutschland so zu akzeptieren wie es bereits ist. Diese Erkenntnis beschreibt auch Jan Plamper in seinem Buch: Das neue Wir (ebenfalls erschienen im S. Fischer Verlag). Er beschreibt den historischen Werdegang und zieht hieraus seine lesenswerten Schlüsse.

Die Autorin stellt von vorne herein klar: dies Buch ist eine Streitschrift. Sehr gut!
Allerdings gerät diese Streitschrift aus meiner Sicht immer wieder in Richtung einer "Provokationsschrift". Gezielte Provokation öffnet Horizonte und fördert das Nachdenken. In soweit gelungen. Allerdings empfinde ich den Stil gelegentlich doch zu "Oberlehrerhaft". Das eigentliche Ziel: das gemeinsame Wir zu finden und zu befördern, gerät dabei auf einen Schlingerkurs, den ich in gewisser weise als unbefriedigend empfinde. Überzeugen durch gekonntes Argumentieren bleibt nach meiner Einschätzung gelegentlich auf der Strecke. Sehr schade!
Nichts desto trotz:
In jedem Falle kann ich jedem die Literatur dieser Streitschrift empfehlen - Es ist ein lesenswerter Beitrag zu einem hochaktuellen Thema. Zu welchem Schluss der geneigte Leser am Ende seiner Lektüre auch immer kommen mag.