Rezension

Die andere Seite der Geschichte

Es wird keine Helden geben - Anna Seidl

Es wird keine Helden geben
von Anna Seidl

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
Miriam ist 15, verliebt, beliebt und Gymnasiastin, als ihr Leben einen gewaltigen Sprung bekommt. Gerade schüttelt sie sich noch vor Lachen mit ihrer besten Freundin Joanne auf dem Weg in die Pause. Da hört sie einen Knall, und gleich noch einen. Die anderen Schüler rennen panisch durch die Gegend, und auch Miriam versucht sich zu verstecken. Sie wird den Tag überleben, aber ihr altes Leben wird in Scherben liegen.

Meine Meinung:
Anna Seidl war erst 16 Jahre alt, als sie diesen Roman, ihren ersten veröffentlichten, geschrieben hat. Eigentlich merkt man dem Buch das jugendliche Alter der Autorin nicht an, denn es wirkt recht professionell, und nur wenige Erwachsene können eine Geschichte so rüberbringen. Andererseits hat es die junge Autorin dadurch aber auch leichter gehabt, sich in ihre 15-jährige Protagonistin hineinzuversetzen und sie glaubwürdig erscheinen zu lassen. Die Sprache und der Schreibstil passen sehr gut zu einer Jugendlichen. Die Sätze sind recht einfach, teilweise abgehackt und umgangssprachlich, sodass man die jugendliche, unter Schock stehende Miriam dahinter wahrnimmt. Denn Miriam fungiert als Ich-Erzählerin, wobei eine authentische Sprache natürlich besonders wichtig ist. Aus Miriams Sicht erleben wir die gesamte Handlung. In Rückblenden lernen wir die „alte“ Miriam immer besser kennen und erfahren dabei auch einige Überraschungen.

Anna Seidl befasst sich im Gegensatz zu anderen Büchern über einen Amoklauf nicht so sehr mit dem Täter, sondern mehr mit den Opfern bzw. Überlebenden. Wie können sie nach einer solchen Katastrophe ihr Leben weiterleben? Wie können sie das Geschehene verarbeiten? Neben Miriam spielen dabei ihre Clique von Freundinnen und ihre Familie eine geringe Rolle. Nach dem anfänglichen Schock geht das Leben schließlich weiter. Gerne würde Miriam Zuflucht bei ihrem Freund Tobi suchen, doch der hat den Amoklauf nicht überlebt. So hat das Mädchen auch noch mit ihrer unendlichen Trauer zu kämpfen. Als hätte das noch nicht gereicht, gibt es auch noch einen Mutter-Tochter-Konflikt. Das war mir dann fast schon ein bisschen zu viel des Guten, was die Autorin in dieses doch relativ dünne Buch gepackt hat. Ich hatte den Eindruck, dass die Tiefe dabei ein kleines Bisschen auf der Strecke blieb. Seidl präsentiert uns hier nebenbei jede Menge Lebensweisheiten, die für einen so jungen Menschen schon erstaunlich sind. Allerdings fand ich auch dies ein wenig überladen.

Trotz allem hat mich das Buch stark berührt. Miriams Gefühle und Gedanken kamen direkt bei mir an. Ich musste einige Tränen verdrücken und konnte gut mit der Protagonistin mitempfinden, obwohl ich zum Glück noch nie in einer solchen Situation war. Doch die Zerrissenheit der überlebenden Miriam ist wirklich gut herausgearbeitet. Aus dem ehemals lebenslustigen, allseits beliebten Mädchen wurde eine bedrückte junge Frau, die sich auch noch mit Selbstvorwürfen quält und sich schuldig fühlt. Schuldig, weil auch sie ihren Mitschüler gemobbt hat. Schuldig, weil sie ihrem Freund nicht geholfen hat. Aber Helden gibt es nun mal nur in Filmen, nicht im echten Leben, oder?

Fazit:
Das Buch vermag zu fesseln und den Leser nachdenklich zu machen. Es geht um Liebe, Freundschaft, Schuld und Verzeihen, sich und anderen. Ein sehr gut gelungener Debütroman einer jungen Autorin, den ich wirklich allen Jugendlichen und auch interessierten Erwachsenen empfehlen möchte.