Rezension

Die Angst vor der Angst

Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld - Silvia Aeschbach

Leonardo DiCaprio trifft keine Schuld
von Silvia Aeschbach

Bewertet mit 5 Sternen

»Was, um Himmels willen, geschah mit mir? Die Farben des Himmels und der Bäume erschienen mir unerträglich grell, die Grillen zirpten nicht mehr melodisch, sie kreischten richtiggehend. Der Waldboden, der eben noch so gut nach Moos gerochen hatte, stank plötzlich nach Moder. Ich nahm alles wie durch einen Filter wahr, einen Filter, der die Umgebung nicht in ein angenehmes, weiches Licht tauchte, sondern die Bilder verzerrte. Eine Kälte, wie ich sie vorher nicht kannte, erfasste mich. Noch vor fünf Minuten war mir der Schweiß in Strömen heruntergelaufen, und jetzt hatte ich das Gefühl, in einem Eisblock zu stecken. Für einen Moment schien mein Herz stehen zu bleiben, doch dann begann es noch wilder zu rasen.«

Silvia Aeschbach ist siebzehn, als sie die erste Panikattacke ihres Lebens vollkommen unvorbereitet trifft. Sie fühlt sich wie in einem Horrorfilm, glaubt zu sterben. Ein Erlebnis, das sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte zigfach wiederholen wird…

 

Sehr viele Menschen leben so wie Silvia mit einer Angsterkrankung, etwa jeder fünfte leidet zumindest zeitweise unter Angstzuständen. Und die Dunkelziffer ist hoch, denn noch immer trauen sich viele nicht, über ihre Ängste zu reden. Oder sie versuchen es, versuchen bei einem Arzt Hilfe zu erhalten, doch dieser behandelt lediglich die Symptome und erkennt nicht die Ursache dahinter.

 

In einer leicht zu lesenden, humorvollen und selbstironischen Art, schreibt Silvia über ihre Angst und ihr Leben mit ihr. Alles wirkt sehr ehrlich und offen, wer selber betroffen ist, erkennt sich an vielen Stellen wieder. Mir jedenfalls ging es so.

Ich fand das Buch enorm berührend, ich konnte so gut nachfühlen, was Silvia empfand und gleichzeitig gingen mir beim Lesen so viele Situationen aus meinem eigenen Leben durch den Kopf, ich erinnerte mich an die ersten Attacken, die ich bereits als Kind erlebte, an all das, was danach kam… Ich glaube, ich könnte auch ein Buch füllen. Nur ohne Leonardo ;-) Jedenfalls bin ich sicher, dass es mir sehr geholfen hätte, wenn ich dieses Buch früher gelesen hätte. Als Betroffener erkennt man, dass man es schaffen kann, ein gutes und erfolgreiches Leben zu führen. Mit und trotz der Angst.

Zusätzlich zu ihren eigenen Erlebnissen vermittelt Silvia viel Wissen rund um die Panik. Angefangen bei ganz allgemeinen Dingen wie dem Fakt, dass man Panik, im Gegensatz zur „normalen“ Angst, nicht durch Mut oder Willen überwinden kann. Es gibt medizinische Hintergrundinfos und einige interessante (oft auch unterhaltsame) Listen mit „Top Ten“, zum Beispiel die Top Ten der Symptome oder der Dinge, die man als Paniker wissen sollte. Sehr treffend auch die Liste der Sätze, die man während einer Panikattacke nicht hören will! Und schließlich Silvias persönliche Tipps – eine tolle Liste!

 

Nun sind zum Glück die meisten Menschen nicht betroffen. Für sie wird dieses Buch sicher auch hilfreich sein, denn vermutlich können sie sich nicht vorstellen, was ein Paniker durchmacht. Womöglich glauben sie, dass sie jemandem mit einer Panikattacke helfen könnten, wenn sie ganz ruhig auf ihn einreden. Dass alles nur eine Frage der Beherrschung ist und sicher nicht so schlimm. Wer dieses Buch liest, wird hoffentlich mehr Verständnis entwickeln und darf sich im Gegenzug über die sehr selbstironischen Schilderungen amüsieren. Denn ganz ehrlich: Wenn man nicht selbst betroffen ist, ist so einiges wirklich unfreiwillig komisch.

 

Fazit: Vielen Dank Silvia Aeschbach für dieses informative, ehrliche und mutmachende Buch! Sehr lesenswert für jeden, der selber unter Ängsten leidet und für jeden Interessierten.