Rezension

die Atmosphäre und der Glanz der Belle Époque

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre -

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
von Marie Lacrosse

Bewertet mit 5 Sternen

Marie Lacrosse hat schon mit der Weingut-Reihe bewiesen, dass sie nicht nur spannende Unterhaltung bieten kann, sondern sie veröffentlicht auch hochinteressante und fesselnde historische Romane. Mit der neu erschienenen Reihe über das Kaffeehaus brilliert sie wieder aufs Neue. Im ersten Teil »Bewegte Jahre« der Trilogie begibt sich der Leser in die Pracht der Kaffeehäuser Wiens, begegnet jungen Komtessen bei ihrem Debüt, fährt mal eine Equipage sogar mit dem Kronprinzen Rudolf von Habsburg mit, wird in eine Affäre involviert und erfährt das tragische Ende der Beziehung zwischen dem Thronfolger und Mary Vetsera,.. die Tragödie, die das Kaiserreich in seinen Grundfesten erschüttern wird… Diese kurze Beschreibung der Handlung beschränkt sich nur auf wenige Momentaufnahmen in dieser tragischen und auch dekadenten Zeit der k.u.k. Monarchie.

Wer schon einmal die Romane der Autorin gelesen hat, weiß, dass ihre Bücher auf wahren Begebenheiten bzw. Personen basieren. Obwohl die Geschichte über die Komtess von Werdenfels oder den engsten Freund vom Kronprinzen, Richard von Löwenstein fiktiv ist, — dadurch wird man besser manche Handlungen der tatsächlich gelebten Protagonisten verstehen und an nur sehr vage überlieferte Ereignisse teilhaben lassen —, der überwiegende Teil der handelnden Personen, Orte und Ereignisse sind durchaus real. Die Autorin hat hier einen enormen Zeitaufwand auf sich genommen, um in akribischer Kleinstarbeit die geschichtlichen Fakten zusammenzutragen, um sie dann perfekt in die Geschichte zu verarbeiten. Diese historische Zeitreise, die dem Leser geboten wird, ist nicht nur spannend, sondern auch sehr informativ und lässt eine Menge über die Habsburger Monarchie und die Wiener Gesellschaft erfahren. Was führte zum Selbstmord des Kronprinzen? War Mary Vetsera wirklich an allem schuld? Die promovierte Psychologin Marie Lacrosse versucht die plausibelste und gleichzeitig historisch wahrscheinlichste Variante des Geschehens herauszufinden und sie den Lesern verständlich zu machen. Besonders viel über die Wahrheit und die Breite der Tragödie erfährt der Leser erst im Nachwort des Romans.

Die Autorin hat die Atmosphäre und den Glanz der Belle Époque sehr gut eingefangen. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Für mich macht es das Ganze interessanter, die Gedanken der einzelnen Figuren erleben zu können und in ihr Seelenleben blicken zu dürfen: sei es der Adel oder eine einfache Kaffeehausbedienung. Schön finde ich auch, dass es sich beim Roman um viel mehr als eine reine Liebesgeschichte zwischen Rudolf und Mary handelt. Es wird eine sehr spannende und lebendige Geschichte erzählt, in welcher sich der Spannungsbogen langsam, in der zweiten Hälfte des Buches dann intensiv entwickelt, und der Roman sich richtig „leben lässt“, sodass es gar nicht erst zu langatmigen Passagen kommt.

Die Sprache der Autorin besticht durch ihren Sinn fürs Detail. Der bildhafte und wunderschöne Erzählstil trägt dazu bei, dass man perfekt in die Zeit des XIX. Jahrhunderts eintauchen kann. Flüssig, bildgewaltig und sehr fesselnd, gleichzeitig auch der damaligen Zeit angepasst; mal durch den Wiener Dialekt oder mal durch ein antiquiertes Wort. Die Figuren sind liebevoll und lebendig dargestellt, ohne deren menschliche Ecken und Kanten außen vor zu lassen. Mary Vetsera ist eine Rebellin, naiv und eigensinnig; ihre Freundin Sophie beweist den mutigen und liebenswerten Charakter, oftmals ringt sie einem regelrecht Respekt ab für ihren Mut und ihre Entscheidungen. Wie beide sich entwickeln, wird der Leser im Laufe der Handlung selbst erfahren müssen. Einen besonderen Raum nehmen natürlich, wie der Titel schon verrät, die Beschreibungen eines Kaffeehauses ein, wo die Mokkaprinzentorte kreiert und oft mit Mandelmelange serviert wird. Diese zuerst fiktive, später durch einen Konditor ins Leben gerufene Torte konnte ich tatsächlich probieren und mir damit die Lesestunden versüßen.

Die Ausstattung des Buches mit einem ausführlichen Personenregister, der einen vielleicht beim groben Überblick zu erschlagen droht — keine Panik, die Personen lernt man nach und nach im Laufe der Geschichte kennen und hält sie ganz gut auseinander —, und den Karten muss ebenfalls erwähnt werden. Ein ausführliches Nachwort, welches die fundierte Recherche belegt, ein Glossar mit vielen österreichischen Wörtern und die empfohlene Literatur runden das Bild ab. Als Bonus bekommt der Leser auch das erste Kapitel aus dem Folgeband »Falscher Glanz« (erscheint im April 2021) zu lesen.

»Das Kaffeehaus — Bewegte Jahre« erhält Bestnoten in dem fast schon unüberschaubaren Genre der historischen Romane, das in den letzten Jahren enorm an Gewicht gewonnen hat. Die Bestsellerautorin versteht ihr Talent einzusetzen und ihre Leser in den Bann zu ziehen, in eine Zeit, die damals sehr ungewiss, aber auch sehr spannend war. Die Fans von historischen Romanen werden diesen Auftakt der Trilogie voller Begeisterung kaum beiseite legen können. Ich fand das Buch als einen der stärksten Romane, die diesen Jahres erschienen sind. Ein Jahreshighlight, welches unbedingt gelesen werden sollte!!!