Rezension

Die Auswirkungen des Krieges auf die Familie Ising

Eine Familie in Deutschland - Peter Prange

Eine Familie in Deutschland
von Peter Prange

Bewertet mit 5 Sternen

1939. Der Krieg schlägt seine Schneisen durch die deutsche Bevölkerung und verschont auch die Familie Ising in Fallersleben bei Wolfsburg nicht. Während Hermann mit seiner Frau Dorothee um den am Down Syndrom erkrankten Willy bangt, den sie in einer Heimeinrichtung untergebracht haben, fürchtet Charly um ihren jüdischen Mann Benny. Georg, der älteste Sohn der Isings, hat sich in Ungnade gebracht und wird daraufhin an die Front strafversetzt. Edda ist einige Zeit mit Leni Riefenstahl für die Dokumentation des Polen-Feldzuges unterwegs, geht dann aber nach Frankreich und schließt sich dort dem Widerstand an. Derweil bekommt Horst als eingefleischter Anhänger der Nazis immer mehr Macht und Befugnisse, wobei ihn seine Frau Ilse tatkräftig unterstützt. Wer von der Familie wird am Ende des Krieges noch am Leben sein und die Möglichkeit haben, seine Träume in die Tat umzusetzen?

Peter Prange hat mit „Eine Familie in Deutschland-Am Ende die Hoffnung“ die Fortsetzung über die Familie Ising im Wolfsburger Land vorgelegt, der an Spannung, Dramatik sowie exzellent recherchiertem historischen Hintergrund dem Vorgänger „Eine Familie in Deutschland-Zeit zu hoffen, Zeit zu leben“ in nichts nachsteht. Während der erste Teil sich mit der Familie zur Vorkriegszeit beschäftigte, so nimmt er den Leser nun mit in die Zeit des Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945, wo dieser den einzelnen Mitgliedern der Isings folgt und währenddessen das komplette Gefühlsbarometer durchlaufen wird. Prange, der sich immer wieder durch eine akribische Recherche in seinen Romanen auszeichnet, legt auch in dieser Geschichte wieder besonderen Wert auf Genauigkeit des historischen Hintergrunds. Durch den mitreißenden und bildhaften Erzählstil erlebt der Leser während der Lektüre nicht nur wahres Kopfkino, sondern hat auch das Gefühl, Geschichte mitzuerleben, obwohl ihn von der damaligen Zeit 80 Jahre trennen. Alles wirkt so glaubhaft und real, die Angst der Bevölkerung ist greifbar, die Unterdrückung und Verfolgung durch die Nazis nahezu furchtbar, die Bespitzelung unter Freunden, Nachbarn, selbst unter Familienmitgliedern geradezu unerträglich. Neben der wachsenden Verzweiflung blitzt aber immer wieder ein winziger Hoffnungsschimmer auf, sei es durch eine helfende Hand oder eine gute Nachricht, an denen die Menschen sich festklammerten, um irgendwie zu überleben.

Die Charaktere wurden vom Autor weiter entwickelt und wirken so real und glaubwürdig, als würde der Leser sie persönlich kennen. Gerade ihre Differenziertheit erlaubt es, dass der Leser sich den einen so nahe fühlt und mit ihnen leidet, hofft und bangt, während er bei anderen für ihr Verhalten und Tun keinerlei Verständnis aufbringen kann, aber trotzdem immer wieder ihre Beweggründe hinterfragt. Besonders Charly und Ehemann Benny sowie Edda ragen als Protagonisten besonders heraus, deren Schicksal dem Leser besonders ans Herz geht. Dafür kann er dann seine ganze Abneigung auf Horst und seine Frau Ilse übertragen, die als getreue Nazis für einige Situationen sorgen, bei denen einem die Luft wegbleibt. Gilla ist eine Figur für sich, eine Jüdin, die alles tut, um ihre Liebsten zu retten, doch sich vom Weg abbringen lässt und alles verliert. Man würde heute auch sagen, sie hat sich verzockt. Die Gefühle für sie sind ambivalent, denn als Leser kann man leicht urteilen, solange man nicht in der Situation steckt. Aber auch die Schicksale von Carl, Georg, Adolf, Dorothee und Hermann gehen unter die Haut und lassen diese Geschichte so authentisch wirken wie sonst keine andere.

„Eine Familie in Deutschland-Am Ende die Hoffnung“ ist ein würdige Fortsetzung. Nach der Lektüre dieses Buches weiß man zu schätzen, wie gut es uns heutzutage geht und dass wir uns das durch niemanden zerstören lassen sollten. Die damalige Geschichte darf sich einfach nicht wiederholen. Prange hat hier ganze Arbeit geleistet und wieder ein Meisterwerk abgeliefert, niemanden kalt lässt, sondern mitnimmt in die dunkelste deutsche Geschichtszeit. Absolute Leseempfehlung – Chapeau, besser geht es nicht!