Rezension

Die Bedrohlichkeit der Bürokratie

2 - Hideo Yokoyama

2
von Hideo Yokoyama

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: „2“ vereint zwei Kurzkrimis des japanischen Kriminalsautors Hideo Yokoyama. Die erste Geschichte „Zeit der Schatten“ ist knapp 80 Seiten lang. Shinji Futawatari ist als Inspektor in der Verwaltungsabteilung für das „Ämterkarussell“ innerhalb der Polizei zuständig. Doch ein hochrangiger Kriminaldirektor weigert sich, seinen Posten zu räumen – ohne dafür Gründe zu nennen. Futawatari beginnt, dem Geheimnis des Kriminaldirektors auf die Spur zu kommen. Der zweite Kurzkrimi „Schwarze Linien“ ist ca. 55 Seiten lang. Tomoko Nanao, Gruppenleiterin in der Verwaltungsabteilung, erhält einen Anruf. Eine ihrer Schützlinge, eigentlich eine pflichtbewusste Polizistin, ist unentschuldigt nicht zum Dienst erschienen – der Start einer Vermisstensuche.

 

Persönliche Meinung: Während die erste Geschichte aus der Perspektive von Futawatari verfasst ist, erzählt Nanao die zweite Geschichte. Beide Geschichten haben einen leicht kafkaesken Zug: Man erfährt außergewöhnlich viel über die bürokratische Seite der Polizei, die vergleichsweise korrupt ist. Besonders der Beginn von „Zeit der Schatten“ erinnert an Kafkas „Schloss“: Aufgaben werden delegiert, Vieles geschieht hinter verschlossenen Türen, der gesuchte Kriminaldirektor macht sich rar, die Verantwortung bleibt an einem (im Vergleich) niedriggestellten Beamten hängen. Spannend sind hierbei die ungeschriebenen Gesetze des Polizeiapparats, die ihn am Leben herhalten: Da sich gewöhnlich jeder an diese hält, bleibt die Maschine am Laufen, doch verweigert sich jemand, kann das System implodieren. „Schwarze Linien“ beleuchtet den von Männern dominierten Apparat aus einer weiblichen Perspektive. Dabei wird deutlich, wie herablassend die meisten männlichen Kollegen mit ihren Kolleginnen umgehen, die nicht ernst genommen und eher als hübsche Dekoration für das Büro angesehen werden. Das Bedrohliche ist in beiden Kurzkrimis gewissermaßen die Polizeibürokratie/das System selbst. Zuletzt besitzen auch beide Erzählungen ein überraschendes Ende. Der Erzählton von Hideo Yokoyama ist eher ruhig bis trocken, wodurch die Erzählungen an Realität gewinnen, ernster und bedrohlich wirken. Ich bin allerdings etwas unentschieden, inwiefern „Thriller“ der richtige Gattungsbegriff ist. Spannung ist vorhanden, auch die Bedrohlichkeit der Situation ist da. Der Erzählton ist allerdings eher gesetzt, die Handlung unblutig und insgesamt eher subtil schauderhaft. Ich würde die beiden Erzählungen daher eher als Kriminalgeschichten einordnen. Unabhängig davon, ob man nun von „Thriller“ oder „Krimi“: „2“ vereint zwei spannende und außergewöhnliche Erzählungen, die in Form des Erzähltons und der Thematisierung der Bürokratie eine ganz eigene Note mit sich führen, die den hiesigen Literaturmarkt bereichern.