Rezension

Die beste Adaption von Alice im Wunderland, die ich bisher gelesen habe

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland - Christina Henry

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
von Christina Henry

Bewertet mit 5 Sternen

Alice vegetiert seit 10 Jahren in einem Krankenhaus beziehungsweise einer Irrenanstalt vor sich hin. Verlassen von ihrer Familie, ist ihr einziger Lichtblick Hatcher. Dieser bewohnt die Zelle neben ihr und sie kommunizieren durch ein Mauseloch in der Wand miteinander. Schließlich gelingt den beiden durch einen Zufall die Flucht. Was allerdings erstmal nur sie beide wissen: auch eine dunkle Kreatur, die im Keller eingesperrt war, kann in die Freiheit entfliehen. Diese dürstet nach Blut, Tod und Rache. Es scheint so, dass nur Alice und Hatcher sie aufhalten können und so begeben sie sich auf die Suche nach Informationen und Unterstützung in einem unausweichlichen Kampf.

Zu Anfang wirkt Alice ein wenig naiv, hilfsbedürftig und ängstlich. Sie kämpft mit Erinnerungslücken, Flashbacks und Träumen, in denen ein Mann mit Kaninchenohren vorkommt. Man merkt, dass in der Vergangenheit schreckliches passiert sein muss, mit dem sie heute noch Probleme hat. Zugegebenermaßen wäre sie ohne Hatcher wahrscheinlich ziemlich aufgeschmissen gewesen. Doch in der wirklichen Welt muss sie eine relativ schnelle Entwicklung durchmachen, sie muss zu sich und ihrer Stärke finden, sich klar werden, was und wer ihr wichtig ist und schließlich Entscheidungen treffen beziehungsweise einfach handeln. So wandelt sie sich schnell vom ängstlichen Mäuschen zu einer anderen und mutigeren Version ihrer selbst. Hatcher auf der anderen Seite ist als verrückter Axtmörder in der Stadt bekannt. Obwohl er ein gefährlicher Mann ist, hat er auch eine weiche und liebevolle Seite. Doch er kämpft ständig mit seinen inneren Dämonen. Ich mochte ihn, ebenso wie Alice, unheimlich gerne. 

Beide kommen aus unterschiedlichen Welten: Hatcher kennt die sogenannte Alte Stadt wie seine Westentasche. Hierbei handelt es sich um eine Art Ghetto, das unter verschiedenen Bandenchefs wie dem Grinser, der Raupe, des Kaninchens oder des Walrosses aufgeteilt ist. Man erkennt natürlich welche Charaktere aus dem Klassiker Vorbilder für diese Personen sein könnten. Alice stammt ursprünglich aus der Neuen Stadt, in der die Oberschicht und die Regierung leben. Diese wollen die Alte Stadt und ihre Einwohner am liebsten vergessen und überlassen sie nahezu sich selbst. Früher gab es sogar Zauberer, allerdings wurden diese vertrieben, eingesperrt oder getötet. Man merkt jedoch schnell, dass nichts und niemand ist wie es scheint und dass die Magie offensichtlich doch nicht komplett ausgelöscht wurde.

Neben dieser phantastischen und magischen Welt, dem düsteren Szenario und  den spannenden Charakteren hat mich besonders der Schreibstil fasziniert. Dieser ist sehr metaphorisch und dementsprechend bildgewaltig. Er erschafft eine dunkle, bedrohliche und teilweise beängstigende Atmosphäre, die einem unter die Haut geht. Dazu muss man sagen, dass das Buch eine unterschwellige Brutalität und Gewalt aufweist. Es ist aber nicht so, dass bestimmte Szenen total detailliert, blutig und splashermäißg beschrieben werden. Es wird eher ein Zustand oder Ergebnis einer Gewalttat dargestellt und als Leser weiß man, dass etwas schreckliches passiert sein muss, damit es zu einer solchen Situation kommt. Dennoch ist diese Geschichte wahrscheinlich nichts für schwache Nerven. Wer ein Problem damit hat, etwas über Gewalt zu lesen, insbesondere auch gegenüber Frauen, der sollte nochmal überdenken, ob er sich dieses Buch wirklich zu Gemüte führen möchte. 

Für mich ist "Finsternis im Wunderland" die beste Adaption von Alice im Wunderland, die ich bisher gelesen habe. Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Teil, der im Herbst 2020 erscheinen wird!