Rezension

Die bewegende Geschichte der Deutschen in Russland

Roter Herbst in Chortitza - Tim Tichatzki

Roter Herbst in Chortitza
von Tim Tichatzki

Bewertet mit 5 Sternen

1919: Als der Zar gestürzt wird und die Sowjetdiktatur entsteht, müssen die damals eingewanderten deutschen Mennoniten mit vielen Veränderungen klar kommen, die ihren Glauben oftmals vor große Herausforderungen stellen. In dem Dorf Osterwick hat sich der Junge Willi mit Maxim angefreundet, doch dann geschieht etwas, was alles verändert... .
Der Autor Tim Tichatzki hat sich hier mit einem Stück Geschichte beschäftigt, über welches man leider oft nur sehr wenig hört. Anhand der Erinnerungen seiner Schwiegermutter erzählt er hier das Schicksal einer russlandsdeutschen Familie, die unvorstellbares Leid durchmachen muss, aber stets an ihrem christlichen Glauben festhält.
Erzählt wird die Handlung aus der Sicht von Willi und Maxim, die sich als Kinder in Osterwick kennenlernen, aber deren Lebenswege bald schon in ganz unterschiedliche Richtungen verlaufen.
Gemeinsam mit Willi erlebt man, wie das Dorf von verschiedenen grausamen Ereignissen heimgesucht wird. Neben den Machnowzi, die schreckliche Greueltaten vollbrachten, kamen später die Sowjets, die die Glaubensfreiheit unterdrückten und ohne viele Gründe die Bewohner mit den ,,schwarzen Raben" abholten und hinrichteten.
Willi entwickelt sich im Buch schnell von einem neugierigen und etwas unbeholfenem Jungen zu einem besonnenen Mann, der seiner Familie vorsteht und alles in seiner Macht stehende tut, um sie zu beschützen. Später werden viele Ereignisse auch von seiner ältesten Tochter Greta geschildert, die schon früh als Kind Schlimmes mit ansehen muss, aber dennoch zu einer starken jungen Frau heranwächst und ihrer Mutter eine große Stütze wird.
Maxims Lebensweg geht in einer ganz andere Richtung. Er wird Teil der Sowjetdiktatur und man erlebt aus seiner Sicht, wie grausam die Vollstrecker und Beamten mit den eigenen Bürgern umgehen, aber auch, wie schnell jemand von einem hohen Posten gestürzt werden kann.
Tim Tichatzki beschreibt die Menschen und ihre Lebenssituation sehr anschaulich und detailliert. Es ist ihm auch gut gelungen, die Frage, ob man sich in bestimmten Fällen durch Gewalt selbst schützen darf, immer wieder zu thematisieren und immer wieder zur Sprache zu bringen.
Der Sprecher Makke Schneider hat es von Anfang an geschafft, mit der Kraft in der Stimme die Geschichte zu lesen. Man kann ihm gut zuhören und er spricht auch die einzelnen Figuren mit ihren Akzenten und anderen Eigenheiten sehr gut.
Generell hat mich die Geschichte sehr berührt und oft auch sehr schockiert. Es ist einfach schrecklich, was die Menschen alles durchmachen mussten und zu welchen Gewalttaten einige fähig sind, wenn sie die Macht über andere bekommen. Manchmal habe ich mich beim Hören gefragt, wie viel jemand ertragen kann, ohne selbst zu Grunde zu gehen. Willi und seine Familie jedenfalls erleben den Sturz des Zaren, die Sowjetdiktatur, die Machnowzi, die Flucht nach Deutschland und letztendlich auch die Verbannung nach Sibirien, aber halten an ihrem Glauben fest.
Insgesamt möchte ich dieses Hörbuch an alle weiterempfehlen, die sich für deutsche Geschichte interessieren und/oder vielleicht von ihren Großeltern ähnliche Berichte gehört haben. Hier wird eine Thematik behandelt, über die sonst öffentlich nicht gesprochen wird und daher finde dieses Buch einzigartig und denke, jeder sollte sich einmal damit beschäftigen. Gerne empfehle ich das Hörbuch hier weiter und wünsche ihm noch viele Hörer.