Rezension

Die Bilanz einer jahrzehntelangen Ehe

Der Brand -

Der Brand
von Daniela Krien

Bewertet mit 4.5 Sternen

30 Jahre nach ihrer Hochzeit müssen sich Rahel und Peter der Frage stellen, ob sie sich noch immer lieben. Die Gelegenheit dazu erhalten sie, als ihr geplanter Urlaub in den Bergen kurzfristig abgesagt wird und sie stattdessen einige Wochen im Haus einer guten Bekannten verbringen, die ihren kranken Ehemann zur Reha begleitet. Während sich Rahel und Peter um den kleinen Hof und die Tiere kümmern, versuchen sie zwischen hektischen Besuchen ihrer beiden Kinder und der entspannenden Zeit in der Natur zu ergründen, was sie heute noch füreinander empfinden und ob diese Gefühle stark genug sind, ihrer Ehe eine Zukunft zu schenken.

Aus der Innensicht Rahels wird der dreiwöchige Aufenthalt auf dem Hof beschrieben. Peter verbringt viel Zeit mit den Tieren, sucht Ruhe in der Natur und fühlt sich mit der Zeit immer wohler hier in dem Haus auf dem Land, wo es so ganz anders ist als in ihrer gemeinsamen Wohnung in Dresden. In Rahel dagegen drängt alles danach, in Erfahrung zu bringen, wie es nach dem Urlaub weitergehen soll - sind ihre und Peters Vorstellungen noch miteinander vereinbar? Als dann Tochter Selma mit ihren beiden kleinen Söhnen zu Besuch kommt und die Ruhe und das vorsichtige Gleichgewicht zerstört, das zu finden sich das Ehepaar gerade bemüht, wird dieses Thema für sie immer wichtiger. Und wie nebenbei beginnt sie sich zu fragen: wie viel haben sie selbst und Selma, die gerade das Zusammenleben mit dem Vater ihrer beiden Kinder anzweifelt, mit ihrer Mutter gemeinsam, die sich nie fest an einen Mann binden konnte?

Nach und nach bemüht Rahel sich, der Probleme ihrer Tochter mehr Beachtung zu schenken, und wird sich dabei auch immer mehr über ihre eigenen Gefühle für Peter klar.

Der Roman setzt nicht darauf, mit sympathischen Protagonisten zu überzeugen. Sowohl Peters und Rahels als auch insbesondere Selmas Verhalten ist nicht immer so, wie man es sich vielleicht wünschen würde - das muss es aber auch gar nicht, denn auf diese Weise gelingt es der Autorin, sehr authentisch wirkende Protagonisten zu schaffen. Und da ist es vollkommen in Ordnung, auch mal in einigen Szenen nur genervt oder ungläubig den Kopf schüttel zu können. Umso mehr haben mich beim Lesen der bildgewaltige, unaufgeregte Schreibstil und die feinfühligen Beschreibungen einer in die Jahre gekommenen Ehe für den Roman eingenommen. Die Hoffnungen und Ängste der Figuren, der Widerstreit der noch immer tiefen Gefühle füreinander einserseits und das Bedürfnis nach Überwindung eines jahrzehntelang einstudierten Alltags andererseits, all das wird in diesem Roman spürbar. Die Atmosphäre balanciert dabei gekonnt zwischen entspanntem Sommerurlaub am See und der bedrückenden Frage danach, ob die Liebe weiterhin Bestand haben kann im Leben von Rahel und Peter.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen; ich mochte die Ruhe darin und die Nachdenklichkeit des Schreibstils, der doch auch eines gewissen Humors nicht entbehrt. Das Buch wird mir sicher noch eine Weile im Gedächtnis bleiben.