Rezension

Die dunkle Seite des Glaubens

Ein wenig Glaube - Nickolas Butler

Ein wenig Glaube
von Nickolas Butler

Bewertet mit 4 Sternen

Seit seine Adoptivtochter Shiloh nach einer Trennung wieder zu ihm und seiner Frau Peg zurückgezogen ist, verbringt Lyle Hovde am liebsten Zeit mit seinem Enkelsohn Isaac. Gemeinsam besuchen die beiden seinen besten Freund Hoot oder den Apfelhain, in dem Lyle arbeitet. Dann jedoch lernt Shiloh den charismatischen Steve kennen, der Prediger in der Glaubensgemeinschaft des Bundes der Flusstäler ist. Nach und nach zieht dieser Lyles und Pegs Tochter immer mehr in seinen Bann und bringt damit auch den kleinen Isaac in Gefahr: der Junge, so Steve, sei ein Glaubensheiler und müsse diese Fähigkeit in den Dienst der Gemeinde stellen.

In "Ein wenig Glaube" widmet sich Nickolas Butler behutsam einem schwierigen, sensiblen Thema. Der Glaube eines Menschen ist etwas sehr Persönliches und die Handlung kreist stets um die Frage, wie weit man als Elternteil gehen darf oder sogar muss, wenn das eigene Kind und Enkelkind in die Fänge einer Sekte geraten. Vieles, was im Roman zu lesen ist, erschüttert zutiefst und macht ebenso wütend - dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man das Nachwort des Autors liest. Denn tatsächlich hat dieses Werk der Fiktion eines sehr realen, tragischen Hintergrund. Noch immer sterben jährlich in den USA Menschen, weil ihre Angehörigen ihre Hoffnung lieber in den Glauben als in die Medizin setzen.

Der Roman lebt sehr von seinen Charakteren, vor allem dem gutmütigen, warmherzigen Lyle. Als guter Ehemann, liebevoller Opa und treuer Freund hat auch er mit Zweifeln zu kämpfen. Der Verlust seines leiblichen Sohnes kurz nach der Geburt hat ihn zu seinem Glauben entfremdet. Er stellt sich oft die Frage nach der Gerechtigkeit und zeigt große Unsicherheit, ob da überhaupt noch jemand ist, der seine Gebete hört. Als dann auch noch Hoot an Krebs erkrankt, verstärkt sich seine Verzweiflung. Diese allzu menschlische Reaktion nach solchen Schicksalsschlägen entfremdet ihn jedoch zusehends von Shiloh, die ihren Vater irgendwann als "Ungläubigen" und noch schlimmeres bezeichnen wird.

Passagen aus den schwierigen familiären Verhältnissen wechseln sich ab mit idyllischen Szenen aus dem ländlichen Wisconsin. Stille Momente im Apfelhain oder fröhliches Zusammensein mit dem Enkel werden sprachlich gekonnt umgesetzt, so dass man sich beinahe mittendrin fühlt. Dem Leser bleibt so die Möglichkeit, zwischen der intensiven Auseinandersetzung mit falschem Glauben gemeinsam mit den Figuren auch einmal durchzuatmen. Das Ende des Romanes lässt (zu?) vieles offen, gibt so aber auch die Möglichkeit, die eigene Phantasie spielen zu lassen.

Fazit: Ein lesenswerter Roman zu einem schwierigen Thema