Rezension

Die Erfindung des Buches

Papyrus -

Papyrus
von Irene Vallejo

Bewertet mit 5 Sternen

Was sind Klassiker? Eine Frage, die Generationen an Gelehrten umtrieb und die hitzige Auseinandersetzungen zwischen Fachleuten und gelangweilten (Ex-)Schüler entfachte. Irene Vallejo zeigt in diesem Buch, dass Klassiker so viel mehr als pseudoelitäre Staubfänger zum Angeben sind: Klassiker sind Bücher, die geliebt wurden und sehr viel Glück hatten. Sie haben überlebt: den Diebstahl durch Herrscher, die Bibliotheksbrände und politischen Bücherverbrennungen, Verfolgungen und widrige Elemente. Die Geschichte des Buches ist seit der Antike wechselvoll und dramatisch, geprägt von tiefer Leidenschaft – Liebe und Hass gleichermaßen.

Irene Vallejo führt den Leser weit zurück in die Welt der Antike, in die ersten Abenteuer, die uns zum Buch bekannt sind. Ihr Stil ist ungewöhnlich und manchmal gewöhnungsbedürftig. Sie erzählt die geschichtlichen Fakten lebendig, beinahe romanhaft – und springt auch von den Ereignissen der Antike zu persönlichen Erfahrungen in der Gegenwart. Manchmal verwirrend, aber damit schafft sie auch Querverbindungen, die zeigen, dass kaum ein Ereignis rund ums Buch singulär ist. Das Buch als Statussymbol oder als Symbol des Außenseiters, Autoren, die für die Erschaffung des Buches so wenig eine Rolle spielten, dass sie dafür nicht entlohnt wurden, ja manchmal als Urheber völlig im Nebel der Geschichte verschwanden bis zu Autoren, die einen Herrschaftsstatus genossen. Rohstoffmangel, der als Druckmittel und als Kreativschub genutzt wurde.

Irene Vallejo führt den Leser durch das antike Griechenland, das Pharaonenreich und das alt Rom, immer auf den Spuren des Buches, seiner Wandlung, seines Streitwertes, seiner nicht zu unterschätzenden Macht und sie zeigt bis zum ebook auf wie wandlungsfähig und wertig das Buch ist.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass der deutsche Untertitel „Die Geschichte der Welt in Büchern“ irreführend ist und damit bei Lesern eine falsche Erwartung schürt. Im spanischen Original ist es deutlich, dass es hier um die Erfindung des Buches in der antiken Welt geht. Die Antike bleibt bei allen Diskursen und allen Querverbindungen zur Weltgeschichte und Gegenwart Dreh- und Angelpunkt von Irene Vallejos Werk.

Der Erzählstil ist unterhaltsam, teilweise romanhaft, aber auch sprunghaft und damit ganz sicher nicht jedermanns Sache. Mir gefiel es gut, dass auf einen sachlicheren Fachbuchton verzichtet und das Buch damit zu einem wahrhaften Leseerlebnis wurde. Lesetipps zu Primär- und Sekundärliteratur findet man sowohl im Haupttext als auch im Anhang in Hülle und Fülle. Ein zusätzlicher Bonus ist, dass es vom Diogenes-Verlag toll aufgemacht ist, mit einem goldgeprägten Schutzumschlag und einer wunderbaren Papierqualität bei den Seiten.

Ein großartiges Buch für alle, die sich mit der Geschichte des Buches beschäftigen wollen.