Rezension

Die forensische Psychiatrie als Ort der Hoffnung, Rückblicke, Aufarbeitung und zaghaften Neuanfänge. Aber auch ein Ort, der viele Vorurteile und Ängste in den Köpfen der Bevölkerung erzeugt.

Jenseits von Böse - Uta Eisenhardt

Jenseits von Böse
von Uta Eisenhardt

Bewertet mit 4 Sternen

„Jenseits von Böse“ bietet einen Einblick, der dort beginnt, wo die Medien in der Regel aufhören über einen Fall zu berichten: In der forensischen Psychiatrie. Uta Eisenhardt stellt sowohl “die krassesten Fälle” (siehe Covertext), als auch Menschen aus dem Mikrokosmos Psychiatrie vor – Pfleger, Therapeuten, Psychiater, Richter, Anwälte und auch ehemalige Patienten. Ein runder, abwechslungsreicher Eindruck, der sich dem Leser damit bietet.

Die forensische Psychiatrie als Ort der Hoffnung, Rückblicke, Aufarbeitung und zaghaften Neuanfänge. Aber auch ein Ort, der viele Vorurteile und Ängste in den Köpfen der Bevölkerung erzeugt.

Uta Eisenhardt stellt überwiegend sachliche Berichte (17 an der Zahl) über „kranke Verbrechen“ und „die krassesten Fälle“ dar, die ich zum Teil aus der Presse bereits kannte (beispielsweise der Mann, der seine Frau für den Teufel hielt, sie köpfte und anschließend den Kopf vom Balkon warf). [eisenhardt-jenseits-von-boese]

Als guten Kontrast lässt sie Menschen in Gesprächen (insgesamt 10) über ihr Leben in der forensischen Psychiatrie erzählen. Patienten, Richter, Anwälte, Pfleger – all die Personen, die aus erster Hand Erfahrungen schildern können, an die sonst niemand heran kommt. Ein ungeschönter Blick hinter die etwas ängstigende Fassade der „Klappse“.
Authentisch, aufrüttelnd, anklagend.
Auf Missstände wird offen hingewiesen, ebenso Vorschläge unterbreitet, wie man Probleme im System beseitigen könnte. Zudem wird aber auch ehrlich zugegeben, viele Rückschläge einstecken zu müssen, wenn es darum geht, Menschen mit psychischen Krankheiten wieder in den normalen Alltag einzugliedern. Es funktioniert sehr häufig nicht, das ist die traurige Bilanz, die man nach dem Lesen des Buchs ziehen muss.
Menschen können lernen, mit ihren psychischen Erkrankungen umzugehen, aber wirklich geheilt – nein, das können nur die wenigsten von sich behaupten.
Mehrmals fiel das Wort „Erziehung“ in diesem Zusammenhang – erwachsene Menschen müssen so „erzogen“ werden, um mit ihren Krankheiten und den benötigten Medikamenten verantwortungsbewusst umzugehen, sich an Absprachen, Termine und Regeln zu halten. Ist man erst einmal über Jahre in diesem Mikrokosmos Psychiatrie gewesen, ist ein selbstbestimmtes Leben im Alltag sehr, sehr schwer. Wenn nicht sogar unmöglich.

Insgesamt ist dieses Buch in erster Linie ehrlich. Ehrlich, weil kein Versuch unternommen wurde, den Lesern durch illusorische Versprechungen die Angst vor Straftätern und ihrer möglichen Rückfälligkeit zu nehmen, wenn man ihnen nach langer Vorbereitungszeit Freigänge zugesteht. Genauso wenig wurde das System als gut dargestellt, denn das ist es nicht – die vielschichtige Kritik von Fachleuten wurde sehr deutlich.
Ob dieses Buch wirklich den Alltag in der forensischen Psychiatrie abbildet, kann ich euch nicht versprechen, denn ich war dort nie persönlich. Mir erschien es realistisch und ich habe wenig Zweifel, dass diese Zustandsbeschreibung nicht der Wahrheit entsprechen könnte.