Rezension

Die fünf Opfer der Achtsamkeit – prima Leseunterhaltung mit rabenschwarzem Humor

Achtsam morden - Karsten Dusse

Achtsam morden
von Karsten Dusse

Bewertet mit 4 Sternen

FAZIT: Humorvolle Lektüre mit schrägen Charakteren, achtsamer Gewalt und einigen (Über-)Lebens-Tipps. Kann ich nur empfehlen!

„Achtsamkeit kann Menschen töten und Nasen brechen. Und Eisberge zum Schmelzen bringen.“ (S. 354)

 

Meine Meinung:

Da ich sowohl gerne Krimis als auch Bücher aus dem Genre „Humor“ lese, war ich natürlich extrem neugierig auf dieses Buch. In die Geschichte hineinzufinden war nicht allzu schwer. Protagonist ist der erfolgreiche Anwalt Björn Diemel, der sein – recht fürstliches – Gehalt mit seinem „Bäh-Mandanten“ Dragan, einem Mafioso verdient. Dabei vernachlässigt er seine Familie und wird von seiner Frau kurzerhand zu einem Achtsamkeits-Seminar verdonnert. Aber das, was sein Killer-Mandant von ihm erwartet (ständige Verfügbarkeit) lässt sich nur schwer mit einem achtsamen Familienleben übereinbringen. Und so fängt Björn an, sich seiner Probleme (die meistens einen Namen haben und irgendwie zum organisierten Verbrechen gehören) ganz achtsam zu entledigen…

 

Es ist schon eine skurrile Idee, die Karsten Dusse hier umgesetzt hat, aber sie funktioniert sehr gut! Die Story an sich ist ein Selbstläufer, bei dem Protagonist Björn sich zielsicher immer weiter vom Regen in die Traufe reinreitet – und sich dabei aber immer ganz achtsam nur auf ein Problem konzentriert (Singletasking!). Natürlich wird es ab und an auch mal ganz schön blutig und stellenweise auch echt brutal, aber stets mit achtsamen Respekt für alle Beteiligten. Da wird z.B. während einer Folterszene fröhlich „Quizduell“ gespielt und der Gefolterte dabei gleich mit einbezogen.

 

So skurril die einzelnen Situationen sind, die Dusse oftmals bewusst auf die Spitze treibt (wie bei dem Mafiosi-Treffen in der KiTa – mit selbst gebastelten Namensschildchen), so wunderbar überzeichnet sind auch seine Charaktere. Vom moralbefreiten Antipathie-Anwalt Björn („Ich verdiente mein Geld mit Mafiosi und ließ davon den Regenwald abholzen, um unsere Terrasse zu bestuhlen.“ - S. 177), über den „Schalala-Alles-wird-gut-und-ich-habe-die-Weisheit-mit-Löffeln-gefressen“-Therapeuten Joschka Breitner bis hin zum absolut unterbelichteten Mafioso Dragan - ein wahrlich illustres Häufchen, auf das wir hier treffen! Nur einen Charakter, der mir wirklich sympathisch gewesen wäre, blieb der Autor mir dabei schuldig.

 

Bei all der humorvollen Unterhaltung kann man tatsächlich sogar ein bisschen Gesellschaftskritik mit herauslesen, wenn man möchte. Denn es geht hier auch um die Not von Eltern, einen KiTa-Platz für die Sprösslinge zu bekommen, oder um selbsternannte „Gutmenschen“, die „ökologisch wertvolle“ Produkte durch Kinderarbeit in der Dritten Welt produzieren lassen.

 

Der locker-flockige Schreibstil von Karsten Dusse mit den vielen Sprüchen und dem oft rabenschwarzen Humor hat mir sehr gut gefallen, ebenso wie die verbalen Spitzen, die er oft verteilt („Der Dritte hatte ein BWL- und dann ein Jura-Studium abgebrochen und hielt sich deshalb für kreativ.“ - S. 270). Bei Sätzen wie „Auf diesem Spielplatz fielen zwei Männer auf wie zwei Drag-Queens auf einem Salafisten-Treffen.“ (S. 196) oder auch „während des Wegatmens der Handgranatenexplosion“ (S. 217) kann ich nicht anders als breit zu grinsen.

 

Allen Kapiteln ist übrigens eine „Achtsamkleits-Weisheit“ aus dem fiktiven Ratgeber „Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte“ von Björns Therapeuten Joschka Breitner vorangestellt. Und wenn man möchte, könnte man hier tatsächlich den ein oder anderen Tipp in Sachen achtsamem Lebenswandel für sich selbst hier mitnehmen. Sehr schön fand ich z.B. den Satz: „Danke, dass du deinen Wunsch offen äußerst. Leider ist es nicht möglich, ihn zu erfüllen.“ (S. 214). Wie wohl mein Chef darauf reagieren würde? Insofern könne man dieses Buch auch als Achtsamkeits-Ratgeber mit Praxisbeispielen verkaufen…   ;-)

 

FAZIT:

Humorvolle Lektüre mit schrägen Charakteren, achtsamer Gewalt und einigen (Über-)Lebens-Tipps. Kann ich nur empfehlen!