Rezension

"Die Geister, die wir hinter uns lassen"

THE ASCENT - DER AUFSTIEG - Ronald Malfi

THE ASCENT - DER AUFSTIEG
von Ronald Malfi

Bewertet mit 4 Sternen

Der ehemals berühmte Bildhauer Tim Overleigh ist seit dem Unfalltod seiner Exfrau Hannah ein gebrochener Mann. Seine Kreativität und küstlerische Schaffenskraft sind mit ihr gestorben, Selbstvorwürfe führen ihn in eine Sinnkrise und so sucht er Zuflucht in Alkohol und Extremsportarten. Als er eines Abends den charismatischen, schwer durchschaubaren Andrew Trumbauer, einen alten Freund Hannahs, in einer Bar trifft, macht dieser ihm ein verlockendes Angebot: Er bietet ihm an, an einer einmonatigen Expedition nach Nepal teilzunehmen. Das Ziel ist die sagenumwobene Schlucht der Seelen im Himalaja: Ein Gletschertal unter der Erde gelegen, das bisher noch niemand betreten oder gesehen haben soll. Tim zögert zunächst, doch er weiß, um mit der Vergangenheit Frieden schließen zu können, muss er sich dieser Herausforderung stellen.

Leseeindruck

"The Ascent - Der Auftsieg" (OT: The Ascent, 2010) ist mein drittes Buch des Autors, der mich vorletztes Jahr mit "December Park" besonders begeistern konnte. Malfi hat einen bildhaften und flüssigen Schreibstil, der einfach nur Spaß macht. Was ihn von vielen (Thriller)autoren unterscheidet, ist die Zeit, die er sich für den Ausbau seiner Charaktere nimmt und auch die Mischung der Elemente, die er in seinen Romanen kombiniert. Oft enthalten sie einen Hauch Übersinnliches, allerdings dezent im Hintergrund. So auch hier, denn Tim wird von dem Geist seiner verstorbenen Frau "heimgesucht". Nun darf man sich kein Horrorszenario vorstellen, denn auch wenn der Autor dieses Element nutzt, um Tims Seelenzustand und seine Trauer zu untermauern, so fungiert es hier für den Leser mehr als spirituelle Komponente am Rande.

Zurück zu den Figuren: Die Expedition besteht aus insgesamt sieben Teilnehmern, Andrew mit eingerechnet. Die Männer sind eine scheinbar lose zusammengewürfelte Gruppe, die nicht sonderlich gut harmoniert, was an sich schon fatal ist, da sie aufeinander angewiesen sind und ihr Leben von einer funktionierenden Zusammenarbeit abhängt. Schnell wird klar, dass dieser Trip zu einem Albtraum werden könnte. Jeder der Teilnehmer scheint aus einem besonderen Grund heraus von Andrew ausgewählt worden zu sein, der sich zunächst weder dem Leser, noch den Figuren erschließt. Eins ist jedoch klar: Fähigkeiten oder Talente spielten bei der Auswahl keine Rolle, doch was dann? Was verbindet die Männer miteinander oder mit Andrew? Malfi versteht es gekonnt, den Leser im Ungewissen zu lassen, steigert damit die Spannung stetig und treibt zum Weiterlesen an. So kann man diesen Roman durchaus als echten Pageturner bezeichnen, auch wenn das Erzähltempo nicht immer konstant hoch ist. Die für Malfi typische Ich-Erzählperspektive unterstützt die Spannung zusätzlich, da man nur die durch Tims Sichtweise gefilterten Informationen erhält.
Tim ist sympathisch, hat viele Ecken und Kanten, was ihn sehr menschlich macht. Seine Fehler sind nachvollziehbar und seine Selbstgeißelung schmerzt auch den Leser. Man leidet mit ihm und hofft, er kann sich aus diesem Sumpf von Selbstvorwürfen und Trauer befreien. Der Geist Hannahs ist für ihn eine Art Katalysator, der Antrieb, den er braucht, um aufzustehen und weiterzumachen. Im Leben seine Muse ist sie im Tod seine Rettung und sie ist es auch, die ihn letztlich dazu bringt, an der Expedition teilzunehmen. Er weiß, er wird sonst den Verstand völlig verlieren. Aber auch die anderen Charaktere sind gut ausgebaut, besonders Andrew. Ihn kann man einfach nicht einschätzen. Er ist zwielichtig und unberechenbar, bleibt undurchsichtig und in seinen Absichten vage - der perfekte Puppenspieler, der sämtliche Fäden in den Händen hält, gefährlich und charismatisch zugleich.

Der Schauplatz ist gut beschrieben, der Autor versetzt den Leser perfekt in das Szenario. Die Strapazen des Aufstiegs, die Kälte und Gefahren aber auch die Schönheit der Landschaft werden aus meiner Sicht realistisch geschildert. Ich hätte mir diesbezüglich durchaus noch mehr Details gewünscht.

Interessant fand ich die teilweise wechselnden Zeitperspektiven. Der Leser erfährt quasi rückblickend aus Tims Erinnerungen, die schubweise zutage treten, was zwischen ihm und Hannah vorgefallen ist. Wie es zur Trennung und dann auch zu ihrem Tod kam. So lernt man Tim erst im Handlungsverlauf Stück für Stück richtig kennen. Die Art und Weise wie Malfi diese Übergänge zwischen aktuellem Geschehen und Vergangenheit umgesetzt hat, hat mir sehr gut gefallen.

Insgesamt ist die Geschichte (und auch wie sie Malfi erzählt) sehr gelungen. Lediglich das Ende hätte ich mir "anders" gewünscht. Für mich war die Story an einem Punkt vor dem eigentlichen Ende bereits rund. Aber das ist meine persönliche Meinung. Tatsächlich geht es mir bei Malfis Büchern oft so und könnte also auch durchaus an mir liegen.

Fazit

Mit "The Ascent - Der Auftsieg" schickt Ronald Malfi den Leser auf eine spannende und abenteuerliche Reise, die sich zu einem Kampf um Leben und Tod entwickelt. Je höher die Männer steigen, umso tiefer blicken wir in menschliche Abgründe. Ein kurzweiliger Pageturner mit einigen überraschenden Wendungen, der zu fesseln weiß und mich durchweg gut unterhalten hat.