Rezension

Die Geschichte einer Selbstfindung, unwahrscheinlichen Liebe und Annäherung zwischen Mutter und Tochter

Für uns gibt es keinen Namen -

Für uns gibt es keinen Namen
von Gaia Manzini

Bewertet mit 4 Sternen

Ada beginnt mit 26 Jahren einen neuen Job in einer Werbeagentur in Mailand. Der neue Bereich liegt der sprach- und schreibbegabten Ada nicht nur, auch führt sie das Kreativleben in der Agentur und mit den Kolleg:innen in eine ganz neue Welt ein. Eine Welt nicht nur aus Kreativität, sondern auch einer gewissen Freiheit und Sorglosigkeit, die Ada so fast gänzlich unbekannt ist.

Denn Ada trägt ein Geheimnis, von dem auch in der Agentur niemand weiß. Mit 17 Jahren ist sie Mutter geworden, ihre Tochter Claudia mittlerweile 9 Jahre alt. Ada lebt zwei Leben, die sie sorgsam trennt. Das neue Leben als vermeintlich unabhängige junge Frau in Mailand auf der einen, und das Leben am See in den Bergen mit ihren Eltern und Claudia. Wie es dazu kam und wie ihre letzten Jahre als junge Mutter verlaufen sind, erfahren wir nur bruchstückhaft und im Laufe des Romans in einzelnen Erinnerungen Adas an die Vergangenheit. 

Unter den neuen Kolleg:innen sticht für Ada besonders Alessio hervor, von dem sie sich sofort angezogen fühlt. Die Unbekümmertheit Alessios ist etwas, das Ada nicht kennt, die eine richtige Jugend durch die frühe Schwanger- und Mutterschaft nie hatte. So beginnt Ada mit 26 Jahren endlich aufzublühen, sich selbst zu finden, im neuen Job und der Freundschaft mit Alessio. Alessio eröffnet Ada einen neuen Horizont, nicht nur wegen der Gefühle, die er in ihr auslöst, auch weil er etwas in ihr sieht, eine unglaublich talentierte junge Frau, das sie selbst noch nicht entdecken konnte.

Die soziale Dynamik des Romans entfaltet sich in drei Dimensionen, die jedoch alle von der Selbstfindung Adas dominiert und gerahmt werden. Da ist die besondere Beziehung zu Alessio, die sich entwickelt und jeder Zuschreibung, auch für Ada und Alessio, entzieht. Auf einer anderen Ebene begleiten wir Adas schwierige Findung als junge Mutter und die Beziehung zu Claudia, ihre Veränderung und Rollenfindung, von einer Konstellation, die sich der klassischen Normalfamilie und ihrer Beschreibung verweigert. Und da ist auf einer dritten Ebene auch die Beziehung Adas zu ihrer Mutter, die im Laufe es Romans neu verhandelt wird. 

Diese verschiedenen Ebenen werden von der Autorin sehr gut eingefangen und herausgearbeitet. Während ich zu Beginn etwas schwerer in die Erzählung gekommen bin, hat mich Adas Persönlichkeit, Geschichte und letztlich Entdeckung und Werdung ihrer Selbst zunehmend eingenommen. 

Problematisch fand ich jedoch einige sprachliche Konstruktionen, die für mich auch den Lesefluss und das richtige Eintauchen in die Erzählung gestört haben. Ich vermute, dass diese in der Übersetzung begründet liegen. Für mich waren einige Formulierungen eher ungewöhnlich bis unpassend. Da wird beispielsweise der Flughafen in Seattle phasenweise als Flugplatz bezeichnet. Zu oft gibt es grammatikalisch unvollständige bzw. ungewöhnliche Satzkontruktionen, wie „wir gingen nie aus essen“ (S. 128), oder „bleibst du beim Abendessen?“ (S. 198). Auch habe ich mich oft über das Vokabular und die Ausdrucksweise gewundert, die Adas Gedanken und der wörtlichen Rede Adas und Alessios zugeschrieben wurden, und für mich nicht dem einer 26 Jährigen und ihrer Peer Group, zumal in der Kreativszene, entspricht. Wie dies im italienischen Original ist, kann ich leider nicht beurteilen, da mir nur die Übersetzung vorliegt.

„Für uns gibt es keinen Namen“ ist eine zarte, sich langsam entwickelnde Erzählung einer Selbstfindung, die soziale Beziehungen jenseits vermeintlicher Normen sensibel betrachtet und sich entwickeln lässt. Deutliche Schwächen zeigen sich für mich in der sprachlichen Umsetzung, die ich jedoch in der Übersetzung vermute.