Rezension

Die Glocken läuten, wenn sich das Schicksal entschieden hat.

Die Glocke im See - Lars Mytting

Die Glocke im See
von Lars Mytting

Bewertet mit 5 Sternen

Der 1. Teil einer Trilogie?

Die beiden Schwesternglocken Gunhild und Halfried hängen in der 700 Jahre alten Stabkirche im norwegischen Butangen, dort wo das Leben der Dorfbewohner 1880 arbeits- und entbehrungsreich ist. Die Glocken sind einst mit Bronze und dem Silber der Familie Hekne gegossen worden, im Gedenken der beiden Töchter, die aneinander gewachsen, doch viele wundersame Teppiche webten und früh verstarben. Sie wurden in der Kirche begraben und seither erzählt man sich im Dorf vom Geisterläuten der Glocken wenn schweres Schicksal droht.

Der neue Pfarrer will mit dem alten Aberglauben aufräumen, führt allerlei neue Regeln in die misstrauische Gemeinde ein, will aber vor allem eine neue und größere Kirche für seine Schäflein bauen lassen. Das nötige Geld bekommt er durch den Verkauf des alten Gotteshauses an die Deutsche Kunstakademie in Dresden. Zur Überwachung des Abbaus und Zeichnungen der Konstruktion schicken diese den Architekturstudenten Gerhard Schönauer nach Butangen.

Astrid Hekne, Nachfahrin der Glockenstifter, lernt Gerhard kennen und lieben, sehr zum Missfallen des Pfarrers Kai Schweigaard, der auch ein Auge auf die aufgeschlossene und wissbegierige junge Dame geworfen hat.

Im Gewand einer konfliktbeladenen Beziehungskiste (zwei Männer lieben die selbe Frau), bietet der Roman einen fulminanten Einblick in das Leben und Arbeiten der Bauern im rückständigen Norwegen des 19. Jahrhunderts, mit seinem Festhalten an alten Bräuchen und dem tiefen Glauben an überlieferte Sagen, nur spärlich verdeckt vom Christentum. Mit Astrids Streben in die Welt, werden hier die Grenzen für Frauen aufgezeigt, deren Gedeih und Verderb eng mit dem Wohl und Wehe der Männer verbunden ist.

Eher ein nüchterner Leser, jagte es mir besonders zum Schluss kalte Schauer über den Rücken, hauptsächlich wenn meine Erwartungen vom Verlauf der Geschichte wieder einmal durchkreuzt wurden. Ich konnte tief abtauchen, in die Dunkelheit der Stabbaus, in die Bilder der Schnitzereien, auf den Grund des Sees, in die Fieberträume Gerhards, aber auch in die Kälte des Gebärhauses in Christiania. Und so hoffe ich auf eine rasche Fortsetzung der Geschichte, die mich ganz und gar in den Bann gezogen hat.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 10. Januar 2020 um 20:08

Wir wollen lieber etwas länger warten und einen zweiten Band mit derselben Qualität haben.

Ich hab nicht zu viel versprochen, gell? Das ist ganz große Literatur. Und es lief mir bei deiner wunderbaren Rezension gleich wieder selber kalt den Rücken runter.

Emswashed kommentierte am 10. Januar 2020 um 23:21

Gänsehaut? Normalerweise verursache ich nur Schüttelfrost. Aber Du hast recht, lieber etwas warten.... hab noch sooo viel zu lesen.

 

wandagreen kommentierte am 10. Januar 2020 um 23:38

Eine der schlimmen Szenen war als die Alte in der Kirche starb (ich sag es so neutral, damit ich keine Mitleser spoilere). Puh, das war ... grauselig. Aber auch die Atmosphäre, so durchgängig spookey, aber nur so nen Hauch, herrlich. Und der Anfang! Mit den Siams. Wahnsinn. Wer denkt sich so was aus!

Emswashed kommentierte am 11. Januar 2020 um 08:42

Ich glaube, dass Mytting da noch sehr nahe an den alten Legenden war.

katzenminze kommentierte am 12. Januar 2020 um 20:28

Hach, wenn ich das lese bin ich gleich wieder drin! Warte auch sehnsüchtig auf Teil 2.