Rezension

Die Grande Dame des Schachs

Das Damengambit -

Das Damengambit
von Walter Tevis

Bewertet mit 5 Sternen

Vorhang frei für das beste Buch, das ich im ersten Halbjahr 2021 gelesen habe!

Inhalt:
Kentucky in den 1960er Jahren: Als Beths Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt wird sie über Nacht zur Waisen und muss fortan in einem Kinderheim Leben. Ihr Alltag ist trostlos, richtige Freunde hat sie nicht, und die Direktion verabreicht den Kindern regelmäßig Beruhigungstabletten, um sie besser kontrollieren zu können. Eines Tages beobachtet sie den Hausmeister im Keller beim Schachspielen gegen sich selbst und ist sofort fasziniert vom „Schwersten Spiel der Welt“, wie Schach auch genannt wird. Aus Faszination wird schnell Besessenheit. Das Schachspielen lässt Beth lebenslang nicht mehr los. Auch nicht als sie Jahre später vom Ehepaar Wheatley adoptiert wird. Genauso wenig wie die kleinen grünen Pillen, die ihre Kindheit geprägt haben.

Meine Meinung:

Eins vorab. Ich habe absolut keine Ahnung vom Schachspielen. Wirklich nicht die geringste. Damen, Bauern, Springer. Das sind für mich sprichwörtlich „Spanische Dörfer“

In „Das Damengambit“ werden Beths Schachspiele teils bis ins Detail beschrieben. Das könnte langweilig werden, ist es aber überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil! Es fasziniert mich, wie es der Autor schafft, dieses Spiel sprachlich so spannend darzustellen. Beim Lesen kommt es mir vor, als wäre Schach eine Mischung aus Krieg und kompliziertem Tanz. Ich konnte das Buch gerade während der Spiele kaum zur Seite legen. 

Generell habe ich eine Schwäche für Geschichten, in denen Turniere oder Wettbewerbe ausgetragen werden und der Protagonist als Underdog in den Kampf zieht.

Beth ein weiterer Punkt, der „Das Damengambit“ so bestechend macht. Die Beth aus dem Buch finde ich noch spannender als die Beth aus der Netflix Serie, weil sie ambivalenter ist. Der Autor beschreibt ihre Gefühle nur rudimentär, lässt sie so sehr matt wirken, aber trotzdem sind ihre Gefühle da. Sie stecken tatsächlich zwischen den Zeilen. Besonders gefallen hat mir außerdem die Beziehung zwischen Beth und ihrer Adoptivmutter Mrs. Wheatley. Hier wird ein sehr individuelles, auf unterschwellige Art anrührendes Mutter-Tochter-Verhältnis dargestellt. Beth und Mrs. Wheatley halten sich gegenseitig fest, ohne sich wirklich zu berühren. Sie ergänzen sich und sind dabei trotzdem nie ein Ganzes.

„Das Damengambit“ wurde bereits in den Achtzigerjahren erstveröffentlicht. Vor diesem Hintergrund habe ich es als besonders empfunden, dass der Autor eine doch sehr feministische Geschichte erzählt. Beth ist eine junge Frau, die sich in der von Männern dominierten Schachwelt an die Spitze kämpfen will. Dabei wird immer wieder dargestellt, wie sie von der Öffentlichkeit auf ihre Weiblichkeit reduziert wird und wie sehr sie sich selbst dagegen sträubt.

Beeindruckend erzählt wird außerdem Beths Abhängigkeit. Erst von Tabletten, später auch von Alkohol. Diesen subtilen, sich über Jahre hinweg ziehenden Weg in die Sucht zu verfolgen, hat mich sehr betroffen gemacht.

„Das Damengambit“ ist in so vielen Beziehungen ein brillantes Buch, das einen Stoff und eine Geschichte bietet, die ich so noch nirgendwo gelesen habe. Ich kann es jedem nur ans Her legen.

Fazit:

Egal ob ihr die entsprechende Netflix Serie gesehen habt oder nicht. Es lohnt sich wirklich dieses Buch in der Buchhandlung zweimal anzuschauen. Mich konnte es uneingeschränkt begeistern. Mehr als jedes andere Buch in den letzten sechs Monaten, obwohl 2021 bisher ein ausgesprochen erfolgreiches Lesejahr für mich war.