Rezension

Die große Freiheit

Tschick - Wolfgang Herrndorf

Tschick
von Wolfgang Herrndorf

Bewertet mit 5 Sternen

Darum gehts:

Mutter in der Entzugsklinik, Vater mit Assistentin auf Geschäftsreise: Maik Klingenberg wird die großen Ferien allein am Pool der elterlichen Villa verbringen. Doch dann kreuzt Tschick auf. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, kommt aus einem der Assi-Hochhäuser in Hellersdorf, hat es von der Förderschule irgendwie bis aufs Gymnasium geschafft und wirkt doch nicht gerade wie das Musterbeispiel der Integration. Außerdem hat er einen geklauten Wagen zur Hand. Und damit beginnt eine Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende deutsche Provinz, unvergesslich wie die Flussfahrt von Tom Sawyer und Huck Finn.

Mein Eindruck:

Tschick ist kein Buch wie jedes andere, denn Wolfgang Herrndorf ist es unglaublich gut gelungen, die Atmosphäre und Eindrücke dieses wilden Sommerabenteuers von Maik und Tschick einzufangen. Beim Lesen wird man selber an die Zeit erinnert, als man 14 war und einfach mal ausbrechen und die Welt sehen wollte, in der man was neues, aufregendes machen wollte, und welcher Zeitpunkt wäre dafür besser geeignet als der Start der großen Ferien?

Maik ist sowieso allein zuhaus, und schmollt, weil er nicht auf DIE Party des Jahres eingeladen wurde: Tatjanas vierzehnten Geburtstag. Tschick auch nicht, also hat er Langeweile und schliesst kurzerhand ein altes, auf der Straße stehendes Auto kurz und Fährt damit bei Maik vorbei. Sehr realistisch schildert dieser aus der Ich-Perspektive seine Zerissenheit, ob er cool finden soll, was Tschick getan hat, oder ob er lieber brav zuhause bleiben soll. Aber letztendlich ist der Ruf des Abenteuers doch größer als das schlechte Gewissen, und eine irrwitzige Autofahrt quer durch Deutschland nimmt ihren Lauf, in der nicht nur die Leser, sondern auch die beiden Jungs viel über sich selbst, den anderen und das Erwachsenwerden lernen.

Was das Buch außerdem so unglaublich witzig macht, sind die vielen schrillen Charaktere, die den beiden unterwegs begegnen, und die Wolfgang Herrndorf ziemlich kreativ und doch so detailliert und glaubhaft darstellt, dass man über jeden dieser Charaktere nochmal ein ganzes Buch schreiben könnte [das ich im Übrigen sofort lesen würde ;) ]. Der Humor des Autors ist einfach klasse.

Wolfgang Herrndorfs Roman lässt sich flüssig lesen und ist so plastisch geschrieben, dass man beim Lesen eher das Gefühl hat, man würde ein Roadmovie gucken als ein Buch lesen.
Da die Geschichte aus der Sicht von Maik erzählt wird, ist die Sprachwahl natürlich etwas jugendlicher, man erfährt eine Menge über das, was so tagtäglich in Maiks Kopf rumspukt und einen typischen 14-Jährigen beschäftigt, der nicht so richtig dazugehört und seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden hat. Aber es war interessant, aus einer Jugendlichen-Perspektive einen Blick auf die Welt der Erwachsenen zu werfen. An den Sprachstil gewöhnt man sich allerdings sehr schnell, und dann fühlt man sich fast, als würde man mit im Auto sitzen und die große Freiheit spüren.