Rezension

Die individuellen Versionen der Wahrheit

Miracle Creek - Angie Kim

Miracle Creek
von Angie Kim

Der Traum von einem besseren Leben endet für die koreanische Einwandererfamilie Yoo in einer Katastrophe. Ihr „Miracle Submarine“, die Druckkammer für die Sauerstofftherapie, die eigentlich den Geldregen bringen sollte, explodiert und ihre Zukunft geht buchstäblich in Flammen und Rauch auf.

Wer trägt die Schuld an dem Unglück, bei dem zwei Menschen ihr Leben verlieren und vier weitere schwer verletzt werden? War die Ursache technisches Versagen oder doch Brandstiftung? Konnte eine Mutter den psychischen Belastungen nicht mehr Stand halten? Ist sie eine Mörderin? Polizei und Justiz gehen jedenfalls davon aus und klagen sie des Mordes an. Das Gerichtsverfahren soll Klärung bringen, aber die Suche nach der Wahrheit gestaltet sich schwieriger als erwartet, denn nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Die alleinerziehende Mutter, deren autistisches Kind rund um die Uhr Betreuung benötigt, bietet sich förmlich als Schuldige an. Permanent überfordert, an der Grenze der Belastbarkeit, nach jedem Strohhalm greifend, der sich bietet.

Natürlich ist die Suche nach dem/der Verantwortlichen ein Punkt, der die Handlung bestimmt und vorantreibt, aber den Roman lediglich auf die Suche nach dem Täter, der Klärung der Schuldfrage zu reduzieren, wäre zu einfach. Es sind vielmehr die Beziehungsgeflechte, das aus der Welt fallen, das Verhaltensänderungen bewirkt. Neurosen sprießen lässt und letztlich dazu führt, dass sich die Wahrnehmung der Realität verändert, verschwimmt und sich individuelle Version von Wahrheit entwickeln, für deren Schutz man buchstäblich alles riskieren würde.