Rezension

Die Krähe und die Trauer

Trauer ist das Ding mit Federn - Max Porter

Trauer ist das Ding mit Federn
von Max Porter

Bewertet mit 2.5 Sternen

Nur wenige Tage nach dem Tod seiner jungen Frau klingelt es an der Tür des zweifachen Familienvaters. Er öffnet und blickt in das Gesicht einer überlebensgroßen Krähe. »Ich gehe erst wieder, wenn ihr mich nicht mehr braucht«, verkündet das Tier und zieht in die Wohnung ein. Max Porter schreibt in diesem unvergleichlichen Roman über die Trauer und den erschütternden, bewegenden, lustigen und befreienden Umgang mit ihr. Ein Buch, das auch, aber nicht nur, Betroffene anspricht, und in England schnell zu einem Buchhändlerliebling avancierte. (Kein & Aber-Verlagsseite)

Rabenvögel sind Todesboten und Verkünder des Schicksals, insofern braucht man nicht zu rätseln, warum sich ausgerechnet eine Krähe in der Wohnung des verwitweten Vaters und seiner beiden mutterlosen Söhne einfindet.

Zunächst ist also „Vermissen“ das Thema. Dort, wo Dad und die Jungs (die immer, auch als „Ich“, mit einer Stimme sprechen) von Ausweglosigkeit, Trauer und Liebe erzählen, sich gegenseitig zu halten versuchen und sich umeinander kümmern, ist das Buch emotional am stärksten. Die Leere in Familie, Haus und Alltag wird für den Leser zum Greifen nah.

Was macht die Krähe bei den Verzweifelten? Sie krakeelt in Krähenversen, laut, bisweilen obszön, assoziativ. Sie erzählt Geschichten über Trauer und Abschiede. Sie streitet mit Dad und den Jungs.

Was genau passiert, dass Krähe den dreien aus ihrer Versteinerung hilft und sie auf den ersten Schritten zum lebensnotwendigen Loslassen begleitet, erschließt sich nicht. Die Amazon-Beschreibung nennt sie einen „subversiven Therapeuten“.

Auf der literarischen Ebene schließt sich ein Kreis, als Dad, Autor eines Buches über Ted Hughes, eine neue Veröffentlichung plant, in der eine Krähe Hughes Werksausgabe kommentiert. Dass sein Verleger an einem Buch über Basil Bunting interessierter wäre, lässt sich als ironisches Augenzwinkern zum hier vorgestellten Buch lesen: Teile dessen, was Krähe von sich gibt, lassen sich als experimentelle lyrische Verse lesen.

Als literarisches Experiment ist das Buch interessant; als solches werden ihm Begeisterung und Applaus zuteil. Allerdings kann ich nur abraten, das Buch jemandem zu geben, der in Trauer lebt; ob das Buch nämlich als Tröstung taugt, ist unwahrscheinlich.