Rezension

Die Legende lebt weiter

Der Spielmann - Oliver Pötzsch

Der Spielmann
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 5 Sternen

Knittlingen/Kraichgau 1486. Johann Faustus ist ein 8-jähriger Junge, der von seiner Mutter sehr verwöhnt wird, während er unter seinen Brüdern und seinem Vater allerlei einstecken muss. Als die Gaukler in die Stadt kommen, ist Johann fasziniert von deren Darstellungen und Darbietungen, hat er doch so etwas noch nie gesehen. Vor allem der Magier und Astrologe Tonio del  Moravia hat es Johann angetan. Während die Spielleute die Stadt unterhalten, verschwinden mehrere Kinder, darunter auch Johanns jüngerer Bruder. Viele Jahre später, als seine Freundin Margarethe nicht ihn, sondern einen anderen heiraten muss und auch seine Mutter inzwischen verstorben ist, trifft Johann wieder auf den Magier und schließt sich ihm auf seiner Reise durchs Land an. Das Umherziehen zeigt Johann eine andere Welt, aber die Gesellschaft mit Tonio del Moravia verursacht ihm auch ein unheimliches Gefühlt. Welches Geheimnis hütet der Magier?

Oliver Pötzsch hat mit seinem Buch „Der Spielmann“ einen sehr unterhaltsamen, spannenden und farbenprächtigen historischen Roman vorgelegt, in dessen Mittelpunkt Johann Georg Faustus steht, der Johann Wolfgang von Goethe als Vorlage für seinen „Dr. Faust“ Pate stand. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, bildgewaltig und farbenfroh, der Leser findet sich mit der ersten Seite in einer anderen Zeitepoche wieder und darf an der Seite von Johann einige Abenteuer erleben sowie das Leben in der damaligen Zeit kennenlernen. Der Autor vermischt Fiktion mit Fakten so gekonnt, dass der Leser gleichsam fasziniert wie begeistert ist. Die Legende von Faust wird hier regelrecht wieder lebendig. Dazu tragen auch die gekonnt platzierten Zitate von Goethe bei. Der historische Hintergrund sowie die damaligen Lebensumstände werden wunderbar mit der Handlung verwoben, so dass man ein gutes Bild des täglichen Treibens bekommt. Es gibt neuzeitliche Erfindungen und die Macht der Kirche ist überall zu spüren. Der Spannungsbogen wurde zu Beginn recht gemächlich angelegt, steigert sich aber im Verlauf der Handlung immer weiter in die Höhe und sorgt für so manche Gänsehaut.

Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Aufgrund ihrer Eigenheiten wirken sie authentisch und sehr lebensecht. Der Leser kann sich in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen, hoffen und bangen. Johann Faustus wird von seiner Mutter der „Glückliche“ tituliert, doch ist er das auch? Er ist intelligent, neugierig und besitzt den Mut, Neues zu wagen und sich auf unsichere Wege zu begeben, deren Ausgang offen ist. Allerdings ist er auch von Zweifeln geplagt und hadert oftmals. Doch er besitzt Geduld und Charisma, so dass ihm die Menschen schnell vertrauen und er sie um den Finger wickeln kann. Tonio del  Moravia ist ein unheimlich anmutender Mann, der einen mit seinen stechenden fast schwarzen Augen durchschauen kann. Er hütet ein Geheimnis und wirkt wie der Teufel in Person. Auch die weiteren Protagonisten wie Margarethe oder Karl Wagner haben einen berechtigten Platz in der Geschichte und machen sie rundum gelungen.

„Der Spielmann“ ist ein sehr unterhaltsamer und spannender historischer Roman, der den Leser auf eine fantastische Gedankenreise mitnimmt und ihn bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Absolute Leseempfehlung für Kurzweil, Erzählkunst und Handlung!