Rezension

Die liebste Geschichte...

Die Gefangene von Golvahar - Melissa Bashardoust

Die Gefangene von Golvahar
von Melissa Bashardoust

Grandiose mystische Grundlage, aus der leider nicht genug herausgeholt wurde.

„Du bist der Teil von mir, den ich vergessen hatte, Soraya. Ich bin der Teil von dir, der du sein könntest […].“ – MELISSA BASHARDOUST

Aufgrund der Auswirkungen ihres Fluches führt Prinzessin Soraya ein Leben in den Schatten des Palastes. Denn eine Berührung von ihr genügt, um mit dem Gift, das in ihren Adern fließt, ein Leben auszulöschen. Schon immer glaubte sie, dass sie alles tun wurde, um ihre Einsamkeit und Gefangenschaft zu beenden. Doch als das Unmögliche geschieht und sie sowohl unerwarteten Beistand als auch eine Chance, ihren Fluch zu brechen, bekommt, muss sie sich entscheiden, ob sie den Preis für ihre Freiheit auch dann bezahlen will, wenn dieser einen unverzeihlichen Verrat an ihrer Familie bedeutet.

Meine Meinung 

An die Gefangene von Golvahar hat mich vor allem gereizt, dass Melissa Bashardoust für Sorayas Geschichte sowohl das bekannte Märchen Dornröschen als auch persische Mythen aufgegriffen und daraus mit ihrem leichten und bildhaften Schreibstil etwas Einzigartiges gezaubert hat. Für mich ist diese Mischung etwas vollkommen Neues und daher umso beeindruckender. Interessant ist auch, dass im Anhang sogar auf den Ursprung dieser Mythen eingegangen wird. Allerdings hatte ich beim Lesen trotz dieser großartigen Grundlage und Recherche leider bis zum Ende das Gefühl, dass viele der persischen Legenden nur oberflächlich in das Buch eingeflossen sind oder zu wenig daraus gemacht wurde. So werden die verschiedenen dämonenartigen Diws, mit Ausnahme der Pariks, sehr einseitig als chaotische, brutale Masse gezeichnet. Daher gibt es im Buch einen großen Kontrast zwischen den interessanten Pariks und dem undefinierten Rest. Das hat mich etwas gestört. Zwar lässt sich auch in der persischen Mythologie ein Wandel der Pariks in Bezug zu den Menschen ausmachen und ich finde es spannend, dass dieses Element aufgegriffen wurde, allerdings hätten dafür die anderen Diws nicht zu kurz kommen und gesichtslos bleiben müssen.

An der Protagonistin Soraya hat mir gefallen, wie unabhängig und selbstreflektiert sie ist. Ich konnte ihre oftmals unterdrückten Gefühle nachvollziehen, ihren Schmerz und ihre Wut über die ungerechte Auswirkungen ihres Fluchs, ihre Zweifel, Wünsche und Schulgefühle mitspüren. An ihren Entscheidungen und Umgang mit anderen Charakteren habe ich mich allerdings manchmal gestört. Vor allem die Liebesgeschichte konnte mich nicht überzeugen.  Zwar ist ihr Wunsch nach körperlicher Nähe, die ihr aufgrund ihres Fluchs ja verwehrt ist, verständlich, doch wie sich daraus plötzlich Gefühle, geschweige denn Liebe entwickeln, ging mir einfach zu schnell. Sorayas wundervolle Entwicklung, transportiert eine wichtige Botschaft und vollzieht sich alles in allem auch spannend, nur leider zu vorhersehbar. Letzteres trifft auch auf die interessante Wendung zu, die den zweiten Teil einleitet und für mich leider schon sehr früh abzusehen war. Insgesamt konnte mich die Handlung einfach nicht mitreißen, was leider auch daran lag, dass sie erst ab der zweiten Hälfte an Fahrt aufnimmt.