Rezension

Die Lücken in der Wohlstandsgesellschaft

Maria sucht Josef
von Nicole Joens

Bewertet mit 4 Sternen

Der Stil von Nicole Joens liest sich gut, auch wenn sie teilweise sehr lange Abschnitte hat. Für das Auge ist es angenehmer, wenn hin und wieder mal ein Absatz kommt. Anstrengend auch das Düstere, doch passt es zur Geschichte.

Das erste Kapitel verwundert ein wenig, denn Miriam ist total abgebrannt, obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllt, um von diversen Ämtern unterstützt zu werden. Allein die Tatsache, dass sie die Kinder ihrer toten Schwester aufgenommen hat berechtigt sie zu Unterhalt vom Jugendamt. Da staunte ich dann schon und hatte tausend Fragen. Diese werden dann im laufe der weiteren Lektüre beantwortet. Leicht hat es Miriam nicht und Joe ist ein brummiger, bayerischer Bär, der lange lange lange gegen sein Herz zu handeln versucht. Auch Miriam ist sich immer wieder selbst im Weg. Nach ihren Erlebnissen ist das aber teilweise auch schon verständlich. Sie hat einfach Angst und reagiert dementsprechend, wie eine Löwenmutter.

Dieses Buch ist von der Thematik her nicht leicht zu lesen, doch das möchte es auch gar nicht. Es zeigt einfach die Probleme auf, in die eine Frau geraten kann, wenn sie die Kinder ihrer toten Schwester aufnimmt, selbst schwanger und verlassen ist und keinen Goldesel hat. Lustig ist so eine Situation nun definitiv nicht, also lässt es sich auch schlecht lustig darüber schreiben. Über Miriam lässt sich öfter mal den Kopf schütteln, aber wer weiß schon, wie man in einer solchen Extremsituation selbst handeln würde? Trotzdem ist es eine weihnachtliche Geschichte - immerhin spielt sie in der Weihnachtszeit und noch dazu ähnelt sie dem "Original" doch sehr: hat Maria doch auch ein Kind empfangen, für das der "leibliche Vater" nicht greifbar war. Wie Miriam brauchte auch Maria Hilfe. Und wie Josef selbstlos für Maria da war, hat Joe sich Miriam angenommen. Zwar zögerlich, aber dennoch! Maria hatte keine Wohnung und fand am Ende mit Glück Zuflucht im Stall. Was Miriam fand, muss jeder selbst lesen ...! Ganz besonders rührend sind die beiden Kinder Bene und Anna-Sophie. Sie wollen stark und tapfer sein und beschützen Miriam fast mehr, als sie die beiden beschützen kann.

Auch wenn ich zwischendurch immer wieder eine Pause einlegen musste, weil mich die Geschichte zu sehr mitnahm, mag ich das Buch sehr. Nicole Joens öffnet mit dieser Geschichte den Lesern die Augen und bringt sie dazu, darüber nachzudenken, wie gut es ihnen doch geht und was sie alles in ihrem Leben als selbstverständlich betrachten. Sie erdet den Leser, der sich auf dieses Buch einlässt wieder und das ist ein wunderbares Geschenk! Nur das Ende ist ein wenig zu mystisch. Zu vieles läuft auf eine Art zusammen, wie es rational nicht erklärbar ist und selbst für Mystiker etwas weit hergeholt ist. Trotzdem ist es schön ....! Weil das Buch doch sehr anstrengend ist und wirklich mitnimmt, gibt es von mir dreieinhalb Sterne, aufgerundet auf vier. Wer nämlich seinen inneren Schweinehund überwindet und keinen lockerflockigen klassischen Liebesroman erwartet, der wird mit einer wirklich guten Story belohnt.