Rezension

Die Macht der Bilder

'Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit'
von Hilmar Hoffmann

Bewertet mit 4 Sternen

In der ersten Hälfte der 80er hatte ich als junger Student in Marburg die Gelegenheit, eine Vorlesung Hilmar Hoffmanns über Filmpropaganda im Dritten Reich zu hören. Hoffmann, Kulturpolitiker und Filmtheoretiker, war damals Kulturdezernent in Frankfurt und hat die Vorlesung 1988 zu diesem Buch ausgebaut, was merkwürdigerweise damals an mir vorbei ging. Nun, ein Jahr nach seinem Tod, habe ich es zufällig entdeckt und gelesen und muss zu meinem Bedauern feststellen, dass es lediglich der erste von drei geplanten Bänden über die Rolle das Films im Dritten Reich ist, wie einzelne Verweise im Text nahelegen, wobei offensichtlich wenigstens einer der Bände auch die Rolle des Spielfilms behandeln sollte. Leider ist Hoffmann offensichtlich nicht mehr dazu gekommen, die Folgebände zu veröffentlichen. Doch auch der erste Teil bietet genügend Anregungen zum Nachdenken über die Macht der Bilder oder, um es mit einem Wortspiel auszudrücken, "Der (Nationalsozialismus) macht die Bilder". Nun ist, wie Hoffmann auch nicht verhehlt, die Propaganda mittels bewegter Bilder keineswegs eine nationalsozialistische Erfindung, aber der Nationalsozialismus hatte eben 12 Jahre Zeit, diese Erfindung zu perfektionieren. Anhand zahlreicher Beispiele macht Hoffmann die Wechselwirkung zwischen Filmpropaganda und Politik im Dritten Reich klar, wobei ihm meinem Eindruck nach manchmal der Fachmann durchgeht, denn es ist nicht die Politik, die sich nach dem Film richtet, sondern umgekehrt. Aber das tut dem an sich wichtigen Werk keinen Abbruch. Das Wissen von heute macht bisweilen beklommen, wenn man die Beschreibung der damaligen Filme/Filmsequenzen liest, etwa die Beschreibung der letzten Wochenschau vom März 1945, in der Goebbels seine berüchtigte letzte Rede in Görlitz hält, eine inhaltsleere, aber wortgewaltige Ankündigung der alles entscheidenden Kriegswende. Doch gerade hier krankt die Studie naturgemäß, denn wie lassen sich die beschriebenen Bilder verschriftlichen (okay, das Internet macht es in diesem Fall möglich, wie ich gleich nach der Lektüre ausprobiert habe)? Ähnliches gilt für die von Hoffmann aufgegriffenen Bilder aus dem Hetzfilm schlechthin, "Der ewige Jude". Nur gelesen kann man schwer die Suggestivkraft nachvollziehen (was übrigens auch für die Riefenstahl-Filme mit ihrer den ihr eigenen Ästhetik betrifft), ich habe den Vorteil, dass Hoffmann sie damals, obwohl auf dem Index, in der Vorlesung gezeigt hat und ich mich daran erinnern kann.

Ein wenig irritierend ist allerdings, dass Hoffmann (und offensichtlich auch dem Fischer-Verlag) einige Schludrigkeiten unterlaufen sind, beginnend mit Rechtschreibfehler der Marke "Oktoberr" über Buchstabendreher (da wird aus der KPD auch schon mal schnell die DKP) bis hin zu Unsachlichkeiten (einem Film von 1912 wird nationalsozialistisches Gedankengut vorgeworfen, wobei das ja bekanntlich erst in den 20ern entstand.