Rezension

Die Macht der leisen Töne

Das Flüstern der Bienen -

Das Flüstern der Bienen
von Sofia Segovia

Mit "Das Flüstern der Bienen" ist der Autorin Sofia Segovia ein bewegender und magischer Roman gelungen, der auf eindrucksvolle Weise die Bedeutung vom Einklang zwischen Mensch und Natur thematisiert. Durch außergewöhnliche Charaktere, eine turbulente Familiengeschichte und poetische Sprache vermag der Roman im Stile des magischen Realismus seine LeserInnen emotional in den Bann zu schlagen.

Die Handlung spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Mexiko. Eines Tages findet die Großmutter der Familie Morales einen Jungen, der von Bienen beschützt unter einer Brücke liegt. Keiner weiß, wo dieser Junge herkommt und die Familie nimmt ihn bei sich auf. Aufgrund einer Entstellung im Gesicht ist der Junge stumm und scheint auch ansonsten ein sehr besonderes Kind zu sein, dass in einer außergewöhnlich intensiven Bezeihung zu der Natur und insbesondere den ihn umgebenden Bienen steht. Sie nennen ihn Simonopio und dadurch, dass er (wie es die hebräische Bedeutung seines Names nahe legt) auf die leisen Töne seiner Umwelt hört, schaffte er es, dass Schicksal der Familie positiv zu beeinflussen. Dennoch können die Morales zu Zeiten des mexikanischen Bürgerkriegs als Großgrundbesitzer den Kämpfen um Land und Leben nicht entrinnen und ihr Glück wird auf eine harte Probe gestellt.

Die Autorin pflegt einen poetischen und feinfühligen Schreibstil, der mich absolut überzeugt hat. Passend zur Thematik des Buches legt sie auch Wert auf leise Töne und vermischt so eine magische, märchenhafte Atmosphäre mit der konfliktträchtigen, emotionalen Handlung. Dabei wechseln die Kapitel zwischen den Perspektiven verschiedener Charaktere und man bekommt Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt aller entscheidenden Handlungsträger. So bekommt der Roman mehr Tiefe und lässt einen als LeserIn mit den Figuren mitfühlen, selbst mit den Bösewichten.

Besonders spannend fand ich es, die Kapitel zu lesen, die zur Zeit der Spanischen Grippe spielen, da man erschreckende Parallelen zur heutigen Zeit erkennen kann. Da die Autorin das Buch schon vor einigen Jahren geschrieben hat, war sie noch nicht durch die Erfahrungen mit Corona beeinflusst. Umso beeindruckender ist, wie viele Gemeinsamkeiten (aber zum Glück auch einige Unterschiede) man zwischen den Pandemien feststellen kann. Es beweist einmal mehr die zentrale Botschaft dieses Romans, nämlich das Mensch und Natur in enger Wechselwirkung zueinander stehen und der Mensch trotz allen technischen Fortschritts auf die (oftmals leisen) Töne der der Natur hören muss.

In der Mitte hat "Das Flüstern der Bienen" etwas Spannung für mich verloren, doch das ist vor dem fulminaten Finale nur die Ruhe vor dem Sturm! Mit Getöse und einem großen Knall nimmt die Handlung im letzten Drittel des Romans wieder Fahrt auf und packt meiner Meinung nach die LeserInnen emotional besonders nachhaltig. Ich konnte zuletzt das Buch kaum noch aus der Hand legen.

Zusammenfassend ist "Das Flüstern der Bienen" ein magischer Roman verfasst in einer poetischen Sprache und mit einer sehr bewegenden Handlung. Aufgrund der wechselnden Perspektiven bieten die verschiedenen Figuren alle Identifikationspotential, sodass die LeserInnen mit deren Schicksal mitfiebern. Hinter alle den aufregenden Ereignissen steckt aber die zentrale Botschaft der Autorin, dass man als Mensch auf seine Umwelt horchen und sie mit allen Sinnen wahrnehmen sollte, da sie uns die Grundlage unserer Existenz liefert.