Rezension

Die Magie der Illusionen durch Poesie idealisiert

Niemand liebt November - Antonia Michaelis

Niemand liebt November
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 4.5 Sternen

November Lark, von allen Amber genannt, ist siebzehn und gerade aus ihrer WG abgehauen. Denn zum ersten Mal glaubt sie, ihren Eltern auf der Spur zu sein. Ihre Suche führt sie in eine fremde Großstadt, in die Kneipe eines Mannes, dessen Name eine Tätowierung ist, zu dem rätselhaften Jungen, der in einem Zelt sitzt und ein Buch liest - und an die haarfeinen Risse in der Wirklichkeit.

Antonia Michaelis schreibt keine leichte Kost. Das ist mir schon seit "Der Märchenerzähler" klar, welchen ich wahrlich nur verschlungen habe. Ihre Inhalte können einen von der Thematik her erdrücken und werden nicht unbedingt das Glück des Menschen potenzieren. Dennoch erreicht man eine gewisse Zufriedenheit, weil man selbst glücklicherweise nicht mit solchen Problemen zu kämpfen hat.
Der Schreibstil ist schonungslos offen und ehrlich. Die ganze Sprache ist äußert lyrisch und poetisch, weshalb es manchmal auch nicht auf Anhieb zu verstehen ist. Das Buch ist definitiv nichts für zwischendurch, sondern verlangt die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Aber genau das zeichnet dieses Buch auch aus. Zu jedem neuen Kapitel gibt es am Anfang ein Gedicht, welches die negative Grundstimmung sehr gut widerspiegelt.

Wie man schon an der Beschreibung des Buches sieht, hat jeder Mensch unterschiedliche Facetten. Hier sieht man ja schon einmal, dass die vermeintliche November eigentlich eine Amber ist. Diese Wechsel zwischen den vermeintlich verschiedenen Persönlichkeiten fallen manchmal ziemlich schwer und haben hin und wieder bei mir für Verwirrung gesorgt. Leider bessert sich das auch nicht während des Buches, was aber auch einen gewissen Reiz ausmacht.

Die Verwirrung hat es teils ziemlich schwer gemacht, das Buch immer weiter zu lesen, aber dennoch fesselt einen das Buch. Ich weiß gar nicht genau, was es war, was dafür gesorgt hat, dass es mich so in seinen Bann gezogen hat, da es etwas Unbeschreibliches ist. Allgemein beschäftigt sich das Buch auch eher mit Irrationalem und psychischen Problemen. Glück scheint in ihrer Welt nicht zu existieren.

Mit der Protagonistin bin ich nie wirklich warm geworden, was mir aber auch ganz lieb war. Sie ist kein sympathischer Mensch und will es auch gar nicht sein. Unter Berücksichtigung ihrer Umstände ist das aber gut nachvollziehbar, weshalb man keine Antipathie gegen sie empfindet, aber dennoch froh ist, sie halt nicht im realen Leben kennen zu müssen. Immer wieder musste ich über sie den Kopf schütteln und war ziemlich entsetzt, wie sich dieses Mädchen immer weiter selbst zerstört.

Die Charaktere sind gut dargestellt, auch wenn es viele Lücken gibt. Man wird aus keinem Charakter so wirklich schlau, weshalb es immer wieder unerwartete Wendungen gibt. Die Suche nach ihren Eltern fand ich eher weniger interessant, sondern eher ihre Entwicklung. Gerade aus psychologischer Sicht ist das Buch dementsprechend zu empfehlen! So muss ich auch gestehen, dass gerade das Ende des Buches noch einmal viel rausgeholt hat. Denn meiner Meinung nach war dieses phänomenal. Es hat mich mitgerissen und zutiefst berührt. Ohne dieses grandiose Ende hätte es mir wahrscheinlich nur halb so gut gefallen.

Michaelis versteht, zwischenmenschliche Fertigkeiten und Beziehungen präzise und auf verschnörkelte Art und Weise darzustellen. Immer wieder fragt man sich als Leser, ob man gerade selbst zu spinnen beginnt, weil dieses Buch einfach so einige Rätsel aufwirft, welche dann aber teils nach und nach geklärt werden können. Dementsprechend gut gefällt mir auch das Cover: es spiegelt die negative und hoffnungslose Grundstimmung wider. Beinahe wirkt es so als, als hätte das Mädchen auf dem Cover die Resignation erreicht und würde sich nun endgültig von allem abwenden und sich auf etwas Neues, Ungewisses einlassen. Sie geht durch einen vernebelten Wald, der aber zugleich von einem Zelt erleuchtet wird. Dieses ist übrigens auf dem Buch selbst nicht abgedruckt - im Gegensatz zu dem restlichen Cover.

Dieses Buch hat mich sehr zum Nachdenken gebracht und dementsprechend bewegt. Es ist keine leichte Kost, aber es lohnt sich definitiv! Deswegen kann ich auch nur jedem ans Herz legen, dieses Buch durchzulesen. Meiner Meinung nach wird man es nicht bereuen, sondern als Bereicherung ansehen.
Als abschließendes Fazit lässt sich das Buch nur mit diesen Worten ausdrücken: Die Magie der Illusionen wird durch die Poesie idealisiert.