Rezension

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Die Mauer in den Köpfen

Wir sehen uns unter den Linden - Charlotte Roth

Wir sehen uns unter den Linden
von Charlotte Roth

Bewertet mit 3 Sternen

Dieser Roman ist in 8 Teile gegliedert und umfasst die Zeitspanne von 1928 bis 1961, wobei die Teile nicht chronologisch geordnet sind, sondern in der Zeit hin und her springen. Das hat mich sehr irritiert. Wahrscheinlich sollte dadurch Spannung erzeugt werden, doch bei mir hat es das genaue Gegenteil bewirkt: immer, wenn mich ein Handlungsstrang zu interessieren begann, zum Beispiel die Vorgänge rund um den 17. Juni, gab es einen Schnitt und die Geschichte ging an anderer Stelle weiter.

In diesem Buch begleiten wir eine ostdeutsche Familie und erleben mit ihr das Deutschland der Hitlerzeit, die ost- und westdeutsche Zone Berlins und den Aufbau des Arbeiter- und Bauernstaats bis hin zum Mauerbau.

Das Thema hat mich sehr interessiert und die historischen Fakten sind interessant. Auch das Glossar am Ende des Buchs, das ich leider viel zu spät entdeckt habe, ist gut recherchiert und interessant.

 Was mir aber nicht gefallen hat, ist der Schreibstil, der teilweise sehr pathetisch und regelrecht kitschig daherkommt. Bestimmte Motive ziehen sich durch das Buch und werden immer wieder bemüht, beispielsweise die Spieluhr eines kleinen Mädchens (Gerti-Sing-Gans!). Das hat mich ziemlich genervt.

Die Geschichte beginnt mit dem Revuesternchen Ilo Konya, das sich in den armen Studenten Volker Engel verliebt und ihn gegen alle Widrigkeiten heiratet. Aus der Ehe geht eine Tochter, Susanne, hervor. Volker, ein überzeugter Kommunist, wird kurz vor Kriegsende erschossen. Ilo versinkt daraufhin in Depression und Suse wird von ihrer Tante Hille erzogen. Suse entwickelt sich zu einer glühenden Anhängerin des Sozialismus, alles, was aus dem Westen kommt, ist für sie schlecht und faschistisch. Auch den Westdeutschen Kelmi, Traumtänzer und leidenschaftlicher Koch, der sich in sie verliebt, stempelt sie als oberflächlichen und vom Westen verdorbenen Zeitgenossen ab. Ihre ideologische Verbohrtheit ist ihr wichtiger als Gefühle. Nach vielen Auseinandersetzungen und Monaten, in denen sie sich nicht sehen, kommen die beiden doch noch zusammen. Doch dann wird die Mauer gebaut...

Die Geschichte hat großes Potential, das aber für meine Begriffe nicht ausgeschöpft wurde. Ich habe mich aufgrund der Sprache, die mir nicht gefallen hat, durch das Buch gekämpft. Wenn ich es nicht als Teil einer Leserunde gelesen hätte, hätte ich es mit Sicherheit zur Seite gelegt. Deshalb von mir nur 3 Sterne.