Rezension

Die Millionenerbschaft und ihre Hintergründe

June - Miranda Beverly-Whittemore

June
von Miranda Beverly-Whittemore

Bewertet mit 5 Sternen

          "Kein Star ist ohne Geheimnis – und keine Kleinstadt ohne Skandal"- so wird dieser Roman bei Vorablesen angekündigt, der in den fünfziger Jahren seinen Ursprung hat und in der Gegenwart seine Fortsetzung findet. Generationenübergreifende Geschichten mag ich sehr.

„June“ beginnt in der Gegenwart. Cassandra Danvers, genannt Cassie, erbt von ihrer Großmutter June ein großes Haus. Die junge Frau, die in einer Lebenskrise steckt, macht einen etwas verlotterten Eindruck genauso wie das alte, dringend reparaturbedürftige Haus. „Two Oakes“ (Zwei Eichen), so der Name der großen, ehrwürdigen Villa, stellt für sie im Moment eine Notlösung dar. Dieses Haus gehört zu den Häusern, die träumen. Träumende Häuser! Was für ein Einfall der Autorin! Two Oaks träumte von June und Lindie. Und schon erfolgt der Zeitsprung in den Sommer des Jahres 1955 als der kleine verschlafene Ort St Jude in Ohio Hollywood und seine Stars Jack Montgomery und Diane DeSoto zu Gast hatte. Der Roman baut auf dieses großartige Ereignis auf. Eine vollständig unerwartete Wende nimmt die Story als der junge Anwalt Nick Emmons bei Cassie auftaucht und ihr eröffnet, dass sie die Erbin des millionenschweren Jack Montgomery ist. Die Tochter von Jack, Tate Montgomery fordert einen Gentest. Im ständigen Wechsel zwischen den Geschehnissen von 1955 und den der Gegenwart im Jahre 2015 kommt man der Wahrheit scheibchenweise näher.

Mir gefallen besonders die Hauptpersonen, die 18jährige June und ihre jungenhafte Freundin Lindie, die vier Jahre jünger ist. Es ist beeindruckend, wie besonders Lindie ihre Bedürfnisse zugunsten Junes hintenanstellt. Trotz ihrer Jugend möchte sie ihre Freundin, die sie aufrichtig liebt, glücklich sehen.
Miranda Beverly-Whittemore gelang es im ausgezeichneten Stil eine Geschichte über tiefe außergewöhnliche Emotionen zu schreiben. Sie gleitet dabei nie ab in eine kitschige Romanze. Für die Nachkommen ist es schwer zu begreifen, was sich vor 60 Jahren abgespielt hat und wie June und Jack zusammenkamen, obwohl beide mit ihren Partnern verheiratet waren. Als Leser ist man da im Vorteil.
Der Autorin gelang ein fesselndes Buch über die Liebe, über ehrliche, tiefe Gefühle und wie kompliziert oder wie einfach das Leben sein kann. „June“ ist eine Geschichte von Intrigen, Erpressung, Bedrohung, Betrug, Hinterlist und Mord. Sie schreibt von Zwängen, die einem auferlegt werden von der Gesellschaft und von berühmten Menschen, die auch im privaten Leben eine Rolle zu spielen haben. Bei Junes Entscheidungen nimmt Loyalität einen großen Handlungsspielraum ein, vor allem ihrem Mann Artie gegenüber. Eine großartige Frau!
Mir hat die Geschichte sehr gefallen. Ganz habe ich nicht verstanden, warum Lindie erst so spät in das Leben von Cassie tritt. Dieser brillanten Romanfigur (der kleine Flitzer) hätte ich im Alter mehr Raum gegönnt.
Ich habe mich sofort in den herrlichen Schreibstil der Autorin verliebt. Zwei Beispiele aus dem Anfang des Buches möchte ich gern herausgreifen.

1. „Die prächtigen Häuser nehmen ihren Niedergang hin, verlieren sich in süßen Erinnerungen und vergessen ihren Platz in der Welt.“
2. „Der Sommer war da. Der Tag traf sie wie ein Paukenschlag: zu viel Licht, zu viel Farbe, zu viele Heckenrosen, aus deren Herzen zu viele Insekten tranken“.

Den wunderbaren Gesamteindruck des Buches rundet das gelungene Cover ab. Die bildhübsche, junge Dame mit Fahrrad und dem selbstbewußten Blick auf etwas dem Betrachter verborgenes ist ein schönes Motiv.
Das vorherige Buch „Bittersweet“ habe ich nicht gelesen, werde es aber unbedingt nachholen.
Für „June“ vergebe ich fünf von fünf möglichen Sternen und meine Lese-/Kaufempfehlung.