Rezension

Die Nacht ist schon rum.

Shadow Guard 02. So still die Nacht - Kim Lenox

Shadow Guard - So still die Nacht
von Kim Lenox

Bewertet mit 2.5 Sternen

"Sie haben uns gefunden."

Willkommen zurück im London des 19. Jahrhunderts. Jack the Ripper ist besiegt worden im ersten Band der ‚Shadow Guards: Wenn die Nacht beginnt‘. Und auch wenn der Klappentext des zweiten Bandes von einem Fehler seitens des schillernden Lebemanns Lord Alexander spricht, wissen wir doch, das er es aus einem ganz speziellen Grund tat. Und nie im Leben (ein ziemlich langes, ziemliches unkaputtbares Leben) zugeben würde, das es ein Fehler war. Letztendlich blieb ja auch gar nichts anderes übrig um London, die Welt und die Ahnen zu retten. Texanerin Kim Lenox nimmt uns erneut mit ins viktorianische Zeitalter und bietet uns eine faszinierende Protagonistin. Eine junge Frau die weder Tischdecken bestickend im Salon sitzt und darauf wartet verheiratet zu werden, noch zu überzogen selbstbewusst ist und eine Art vorzeitliche Feministin darstellt. Wie schon Elena aus dem ersten Band, ist Willomina Limpett eine bezaubernd intelligente, freundliche Frau wie Belle aus 'die Schöne und das Biest'. Ihr Name tauchte nur als Randbemerkung in der Geschichte um Lord Black und Mrs Whitney auf. Nun lernen wir sie zu Erst einmal kennen mitten in den nebligen kalten Bergen Tibets auf einer Expedition mit ihrem unter Verfolgungswahn leidenden Vater und rasch an Anzahl schwindenden Sherpas.
 

"Die dunkle Braut erbittet Ihre Anwesenheit ..."

 Mina hat etwas das Marcus will: diese ominöse Schriftrolle (derer eigentlich Drei, wobei eine allerdings schon bekannt ist und durch die der Lord erst auf die Idee kam, die anderen Beiden zu suchen). Wozu das Ganze gut ist? Wie alles im Leben gibt es einen Kreislauf und es gibt einen Preis: in diesem Fall bezahlte Marcus Alexander mit seiner Seele die kurz vor der Vollendung ihrer 'Transzendenz' steht. Dann ist er eines jener Wesen die unablässig von den Schattenwächtern zur Strecke gebracht werden. Mark aber ist ambitioniert und ehrgeizig: Er sucht den Weg seine Seele zurück zu verwandeln und sich mit ordentlich Ruhm zu bekleckern. Das Blöde: Er fängt an Stimmen zu hören, die ihn dazu verleiten wollen abscheuliche widerwärtige Dinge zu tun. Und er hat hin und wieder Blackouts. Das Gute: Noch gibt es keinen ‚Schießbefehl‘ für ihn, denn seitdem im ersten Band Lord Black und Elena ins 'Innere Reich' gegangen sind, sind die Leitungen nach dort tot.

Warum auch immer, die Shadow Guards sind auf sich allein gestellt und Marcus hat eine Galgenfrist. Wie praktisch, das ausgerechnet der Sekretär Mr Leeson zur Stelle ist. Von seiner Zwillingsschwester Selena (die hochgradig bibliophile Gräfin) bekommt er nämlich nicht grad viel Unterstützung. Aber der einäugige Sekretär von Lord Black ist sowieso die bessere Wahl; in allen Belangen vorausschauend, akkurat und eifrig. Ich hab ja schon so ein bisschen die Hoffnung, das ein möglicher Band Vier sich dem temporär Kopflosen Menschenkenner widmen wird, der immer eine Lösung unter den Manschetten hervor zaubern kann. (Es dauert im Übrigen keine zwölf Stunden, sofern man einen dicken Verband um den Hals anbringt, damit man nicht mit dem Kopf unterm Arm rum rennen muss.) 

So sehr mich die schillernde Figur des Schwerenöters im ersten Band auch angesprochen hat, lässt er stark nach in seiner eigenen Geschichte. Aber er verliebt sich halt- dagegen ist auch nach über knapp 2000 Jahren kein Kraut gewachsen, kein Artefakt verzaubert und keine Schriftrolle besprochen worden. Auch enttäuscht der Band, da all die hübschen Details der Umgebung, sowie humorvolle Querverweise zu anderen Zeitgenossen fehlen oder untergehen (wie die nur kurz erwähnte Nymphe mit Hang zum Menschen in die Nase beißen). Dieses Buch liest sich schlichtweg noch schneller herunter und die Handlung umschließt sehr eng das Kennenlernen und Annähern des künftigen Pärchens. Und dann meldet sich auch noch ‚Die Dunkle Braut‘- die dem Antagonisten Jack the Ripper versprochen war und ja mal gar nicht einsieht, das sie jetzt ohne gute Partie dastehen soll. Also macht sie in guter 'Ripper' Manier Lord Alexander ihre Aufwartung und buhlt um seine Gunst wie es nur eine 'Brotoi' kann. Außerdem hat sie noch eine kleine Armee aus kriechenden winselnden Schoßtierchen um sich, die irgendwie genauso nervig wirken wie Hyänen auf Löwen beim Fressen.
 

"... bei der Verheiratung ihrer selbst, der Dunklen Braut ..."

 Wirklich lustig war für mich der Moment, als bei einem Ausflug in den Park beim Federball spielen und Tauben schießen der Lord Alexander hervor kommt, welcher mit seinem kecken Auftreten und dem sprühenden Charme mich glatt um den Finger gewickelt hatte. Und ich war da nicht die einzige Dame, denn auch mit Minas verehrter Tante Lucinda hatte der Tunichtgut schon getändelt. Und eben jene ist nun ziemlich eifersüchtig- ebenso wie die Cousinen dieser 'Aschenputtel'- Idee, welche viel lieber selber im Aufmerksamkeitsradius des flotten Galanten flanieren würden. Ich bin mir ziemlich sicher, das der Schuß in Minas Richtung wirklich nur gaaanz zufällig quer geschlagen ist. Willomina aber macht viele positive Züge und ich bin dankbar für eine Art Frau die zwischen brav/ elegant und eigenständig/ stur agiert. Und die im Gegensatz zum schmachtenden auf der rosa Zuckerwatte- Wolke der Verblendung sitzendem Liebchen den langlebigen Edelmann voll auflaufen lässt. Sie macht ihre Meinung zur Unsterblichkeit sehr deutlich und bringt selbst den sonst so arroganten Marcus aus dem Tritt. 
 

"... mit Jack the Ripper heute um Mitternacht ..."

Aber Rettung naht: Wirklich kurz vor knapp tauchen schnell wieder Lord Black und Elena auf um Marcus unter die Arme zu greifen. Warum die allerdings gebraucht werden, entbehrt sich mir jeder Logik. Ihr Auftritt ist einfach nur unnötig, außerdem machen sie dann nicht das was sie sollen und vermasseln beinah noch das Finale. Fürchterlich wirkt sich auf das Lesevergnügen auch hier wieder die Zeitraffung am Ende des Buches aus. Man hat den Eindruck der Autorin saß der Vertrag im Nacken und drückte sie das letzte der 18 Kapitel zu schreiben. Wieder passiert der Showdown 'mal eben' noch ganz schnell und alle bis dahin aufgebaute Vorbereitung verpufft in einem einzelnen Mondstrahl der auf einen polierten Spiegel fällt. Schnell wird noch bekannt gemacht das etwas passiert was im dritten Roman: ’Shadow Guards: Die dunkelste Nacht’ dazu dienen wird die Geschichte wieder aufzunehmen und wir führen die Elite Klasse der Schattenwächter: Rabenmeister ein. Da das alles noch bequem auf zwei Seiten passte in der auch noch ein Chaiselongue geliefert wird, auf dem man zu zweit vortrefflich… nun… „sitzen“… kann- braucht diese Geschichte nicht einmal einen Epilog.

"... Komm allein ..." 

Fazit: 
Zusammenfassend fehlt es dem zweiten Teil an allen Ecken und Enden um mit dem ersten mitzuhalten. Ich werde es dem dritten Band überlassen mich zu überzeugen das das doch noch nicht alles gewesen sein kann. Solange dort nicht wieder kleine Katzen getötet werden, nur weil ein Gartenfest ansteht, für das man ja so viele Unkosten im Vorfeld hatte. Und vielleicht wird das 'Savoy' ja auch mal irgendwann fertig- dieses ist nämlich seit dem ersten Band schon bewohnt aber noch abgehangen. Und es wäre auch interessant wie nun der Waggon am Bahngleis aus dem ersten Teil und die Loge beim Pferderennen in Ascot vom zweiten Band zusammen gefügt werden.  Und wenn Schnelligkeit im Abgang ein literarischer Kunstgriff ist, dann einer mit sehr viel verschenktem Potential. Das muss man sich mal vor Augen führen: 329 Seiten Text.

Prolog: 6 Seiten, 17 Kapitel mit 301 Seiten Vorbereitung und Kapitel 18 mit 22 Seiten für das Finale. Das sind mathematisch visualisiert 93% Roman und 7% in denen die Zeit so sehr relativiert wird, das das Ultimatum der 'Dunklen Braut' auch statt: 'bis Mitternacht' hätte lauten können: 'Unverzüglich!'. Beim Lesen fühlt es sich an wie sich überschlagende Ereignisse, die Schluckauf zurücklassen- wäre schön wenn das dann wenigstens spannend wäre.

Ein mit Aufwickelstäben aus Elfenbein wiedervereintes Urteil: nur unterdurchschnittlich