Rezension

Die Probleme Venedigs

Der freie Hund - Wolfgang Schorlau, Claudio Caiolo

Der freie Hund
von Wolfgang Schorlau Claudio Caiolo

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der sizialinische Commissario Antonio Morello (genannt »Der freie Hund«) wird auf unbestimmte Zeit nach Venedig versetzt, da er nach einigen Erfolgen gegen die Mafia auf deren Todesliste steht. Er hasst die Lagunenstadt von Anfang an und steht darin seinen Kollegen und anderen Bewohnern nichts nach, die große Vorbehalte gegen Süditaliener haben. Doch zum Glück gibt es ja auch noch eine Assistentin, die dann doch zu dem Sizilianer passt und eine hübsche Nachbarin namens Silvia, die Morello die Schönheit der Stadt näherbringt.
Sein erster Fall besteht darin, den Mord an dem jungen Anführer einer Bürgerinitiative aufzuklären, die gegen die Kreuzfahrtschiffe protestiert, die die Lagune verpesten und deren Reisende die Stadt überschwemmen, ohne wirtschaftlich zu nützen -  eine Haltung, die Morello gut nachvollziehen kann. 

Wolfgang Schorlau hat sich mit diesem Krimi von seinem bisherigen Ermittler Dengler abgewandt und erschafft - zusammen mit dem sizialinischen Schauspieler Claudio Caiolo -  den unbequemen Antonio Morello als Ermittler in einer neuen Serie.

Im Mittelpunkt steht die imposante Lagunenstadt Venedig; und den Autoren gelingt es hervorragend,  ein vielschichtiges Bild von der dieser besonderen Stadt zu zeichnen, die zunächst durch ihre Schönheit blendet, deren Verfall und Probleme einen entsetzen und die ein einziges Kunstwerk ist, das man erst nach und nach begreifen lernt. Viele meiner eigenen Empfindungen habe ich so auf den Punkt gebracht gesehen.
Natürlich bleibt es nicht aus, dass man als Leser gar nicht darum herum kommt, einen Vergleich zu den Brunetti-Krimis von Donna Leon zu ziehen; doch in diesen ist der Blickwinkel doch - neben Korruption und Verbrechen - noch mehr aus dem Blickwinkel von Brunettis Liebe zu seiner Stadt gekennzeichnet und ich habe den Eindruck, dass Ortskenntnis und Detailgenauigkeit bei Leon mehr im Vordergrund stehen.

Alle Figuren sind in diesem Krimi detailreich beschrieben und überraschen durchaus auch mit ihrem Verhalten. Die unterschiedlichen Standpunkte waren gut nachzuvollziehen und erschufen ein buntes Bild.

Schorlau wäre nicht Schorlau, wenn nicht auch in diesem Krimi mehr als ein "einfacher Mord" besprochen würde: Korruption und Vetternwirtschaft, wirtschaftliche und Umweltprobleme (nicht nur) Venedigs und vor allem das Treiben der Mafia, die offensichtlich nicht nur allein in Sizilien wirkt, werden dem Leser intensiv nähergebracht. So gelingt es den Autoren, immer auch sachliche Informationen in die unterhaltsame Handlung mit einzubauen. Gekrönt wird das Ganze dann aber durch die herrliche Beschreibung der korrekten Zubereitung der "Caponata". ;)

Der Schreibstil ist locker und flüssig, die Sprache eher einfach. Negativ empfand ich allerdings den etwas zu inflationär gebrauchten Ausdruck "cazzo", der Morello einfach ständig in den Mund gelegt wird. Und auch einen Schmunzler hatte ich das ein oder andere Mal auf den Lippen, sowie das Buch überraschende Wendungen enthielt - ich denke da nur an den doch sehr unkonventionellen Assistenten Morellos.

Für einen echten Kriminalroman ist der Spannungsbogen eher niedrig gehalten, denn, wie schon beschrieben, ist die Verbrechensaufklärung doch eher das Mittel zum Zweck, die gravierenden Missstände im allgemeinen und die Venedigs im speziellen aufzuzeigen. Doch trotzdem wollte ich das Buch nicht aus der Hand legen und hatte viel Lese-Vergnügen.

Mir hat der Auftakt dieser neuen Venedig-Krimi-Reihe um den Commissario Antonio Morello gut gefallen und ich freue mich auf die weiteren Folgen! 

PS:
Zu den Vorwürfen, dass das Autorenduo Schorlau/Caiolo bei der Autorin Petra Reski geklaut haben soll, kann ich mich nicht äußern.