Rezension

Die Pyrenäen mit all ihren Stimmen und Sinnen

Singe ich, tanzen die Berge -

Singe ich, tanzen die Berge
von Irene Solà

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch ist ein Fest – ein Fest der Worte, Bilder, Ideen! Und vor allem ist es ein ganz einzigartiges Kleinod, das Irene Solà in ihrem Schaffensakt der Natur geradezu entrissen hat und nun ihren Leser*innen zum Geschenk macht. Ein Geschenk, mit welchen sie diesen so einiges an Hingabe, Bereitschaft und Konzentration abverlangt – und auch das eine oder andere zumutet.

Schier ungewöhnlich sind Ansatz und Erzählperspektiven, welche die junge Autorin für ihre Erzählung wählt, kommt hier doch die Natur selbst mit all ihren menschlichen und nicht-menschlichen und auch „dinglichen“ Bewohner*innen zu Wort, um gemeinsam eine große Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte der Pyrenäen selbst, konzentriert und exemplarisch fokussiert auf ein kleines Dorf in eben diesen Bergen.

Alle finden sie hierfür Gehör: die Menschen und ihre Geister, Tiere und Pflanzen und Regen und auch die Pyrenäen selbst. Und all diesen Ich-Erzähler*innen leiht Solà eine ihnen eigene Stimme, ihre eigene Sicht auf die Welt und die Geschehnisse, die sie umgeben. Gleichberechtigt, ob nun Mann oder Frau, Rehbock oder Pilz.

Das ist viel – viel gewollt, viel erwartet, viel umgesetzt. Und ja, es ist auch ein Vergnügen in der Lektüre, aber auch eine Anstrengung, die auf Seiten der Leser*innenschaft erforderlich ist, um möglichst viel zu verstehen und viel zusammenzufügen. Denn gleich Ketten auf einer Schnur reiht sich mit jeder neuen Perspektive, mit jedem weiteren Kapitel Figur an Figur, Puzzlestück an Puzzlestück – und heraus kommt… Ja, was eigentlich? Kunst? Sicherlich! Eine Geschichte, die zu fesseln versteht? Immer wieder. Ein Experiment? Auch das.

Was die Erzählung für mich vor allem ist: ein Ausdruck der schier unbegrenzten Spiel- und Schaffensräume, welche Sprache bietet und Literatur entstehen lässt. Gefällig sollten diese dabei nicht sein, vielmehr vermag Solà es, ihre eigenen Wege zu beschreiten und Bekanntes und Gewohntes konsequent hinter sich zu lassen – um so in Abgrenzung etwas Neuartiges und sehr Individuelles zu erschaffen.