Rezension

Die Rakete

Die Erfindung des Countdowns - Daniel Mellem

Die Erfindung des Countdowns
von Daniel Mellem

Die Erfindung des Countdowns – Daniel Mellem

„Nichts kann rückgängig gemacht werden, was einmal gedacht wurde.“ Dürrenmatt, Die Physiker

Es ist eine spannende und zugleich schwierige Frage in der Wissenschaft. Wie weit darf man im Namen der Forschung gehen. Was ist ethisch vertretbar? Daniel Mellem hat sich das Leben und Schaffen Hermann Oberths vorgenommen. Ein genialer Geist im Bereich der Astrophysik. Vordenker und Begründer wichtiger Grundlagen der Raketentechnik. Ein spannendes Fachgebiet. Interessierte sich Hermann vorrangig für eine Rakete zum Zweck einer Mondreise, wird ihm nach und nach klar, dass eine Rakete für Kriegszwecke weitaus mehr internationales Interesse hervorruft. Brisantes Gedankengut, fertig gerade zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Leider leider hat Hermann große Defizite. Zum Einen im emotionalen Bereich (seine Frau Tilla ist zu bemitleiden), zum Anderen ist er nicht fähig, die Gefahren seiner Arbeit vorauszusehen. Er ist total besessen von seiner Rakete und schafft es nicht, auch nur ein kleines bisschen, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Und so kommt es, dass das große Dilemma seiner Arbeit, das eigentliche Thema dieses Romans, für Hermann eben überhaupt kein Thema ist. Er macht sich einfach keine Gedanken darüber. In der Realität brandgefährlich, für dieses Buch irgendwie schade. Wie bereits erwähnt gab es die Person Hermann Oberth tatsächlich. So ist dies vorliegende Buch eine Mischung aus Biografie und Roman. Es sind viele Fakten mit eingeflossen, Lücken wurden mit schriftstellerischer Freiheit gefüllt. Leider gibt es oft ziemlich krasse Sprünge in der Handlung, Hermann hatte eine bewegtes Leben mit vielen Ortswechseln. Offensichtlich hatte der Autor gut damit zu tun, die Fakten der Reihe nach abzuerzählen. Schriftstellerisch ist das Ganze tatsächlich kein großer Wurf. Die Sprache ist unauffällig, sachlich, ohne schöne Sätze. Das passt aber sehr wohl zum recht spröden Charakter Hermanns und der naturwissenschaftlichen Thematik. Dazu sei angemerkt, dass der Autor selber Physiker ist. Hermann ist an und für sich einfach kein Sympathieträger. Er ist absolut auf sich selbst und seine Rakete bezogen. Seine Mitmenschen nimmt er teilweise kaum wahr. Auch Politisches scheint ihm nicht wichtig zu sein. Aus der tatsächlichen Vita ist ersichtlich, dass er mit den Nazis liebäugelte, im Roman kommt auch das wieder kaum wirklich zur Geltung. Eben das ist einer meiner Kritikpunkte. Vieles wird doch recht oberflächlich behandelt, die Gesamtzusammenhänge sind schwer zu erfassen. Vermutlich liegt es daran, dass man eben Hermanns Sicht der Dinge erfährt. Ein interessantes Thema, ein spannender Roman, der sich gut lesen ließ, mich aber kaum bis zum Schluss fesseln konnte. Das große Dilemma, das im Klappentext versprochen wurde, wurde für mich leider praktisch kaum angeschnitten. Viele Sprünge in der Handlung und scheinbar fehlende Informationen ließen die Charaktere blass und nicht stimmig erscheinen. Möglicherweise wäre der Autor mit einer Biographie besser beraten gewesen. Trotzdem ein lesenswertes Buch, das zu Recherchen anregt und den Horizont erweitert. 3 Sterne.