Rezension

Die Schönheit des Dramas ist tief verborgen

Woyzeck - Georg Büchner

Woyzeck
von Georg Büchner

Inhalt:
Woyzeck und Marie haben ein eheloses Kind, weswegen sie von ihren Mitbürgern nicht sehr geschätzt werden. Woyzeck nimmt jeden Job an den er bekommen kann, um irgendwie finanziell über die Runden zu kommen. Infolge dessen ist er aber fast nie zuhause, weswegen er sich von seinem Kind entfremdet und Marie sich nach anderen Männern umsieht. Der Tambourmajor macht ihr ganz schöne Augen und kann ihr mehr bieten als der arme Woyzeck. Die Beziehung beginnt so langsam zu scheitern...

Sprache:
Ich finde es ziemlich genial, wie viel Büchner mithilfe von Worten ausdrücken kann. Ich möchte allerdings nicht leugnen, dass man sich intensiver mit der ein oder anderen Formulierung auseinandersetzen muss, um ihre tiefere Bedeutung zu verstehen. Aber sobald man diese Hürde überwunden hat offenbart sich einem der tiefere Sinn und die unheimliche Schönheit des Buches. Besonders toll finde ich hierbei, dass die Gefühle und die Atmosphäre schön umschrieben werden. Teilweise geschieht dies auch durch ein Lied oder ein Märchen. Die Abwandlung des Sterntaler-Märchens ist super gelungen!

Charaktere:
Bei den Charakteren durchschaut man sehr schnell anhand ihrer Wortwahl welcher Gesellschaftsgruppe man sie zuordnen muss. Aber der ein oder andere spricht auch mal "über seinen Verhältnissen", benutzt also gehobene Worte, die im Satzzusammenhang gar keinen Sinn mehr ergeben. Das finde ich ziemlich gut, weil einem so nochmal vor das Auge geführt wird, dass man niemanden einfach abstempeln kann. Ansonsten finde ich es auch sehr interessant zu sehen, dass einige Menschen gänzlich dem Materialismus verfallen sind, während Menschen wie Woyzeck ganz andere Ideale haben. Dadurch ist das ungleiche Paar von Woyzeck und Marie richtig interessant und man kann den langsamen Verfall ihrer Beziehung wunderbar mitverfolgen. Büchner schildert seine Geschichte so, dass auch der beginnende Wahnsinn Woyzecks stets realistisch bleibt. Zu Beginn bereitet einem dies aber auch Probleme, da man diese Tatsache vermutlich noch nicht durchschaut hat und einige Verhaltensweisen von ihm dann noch nicht sehr schlüssig erscheinen.

Handlung:
Wenn man die Hürden wie die bildhafte und stilistische Sprache erst einmal durchschaut hat und auch so langsam versteht, wie die Figuren denken, versteht man die Geschichte auch. Sehr interessant für die Handlung ist die metaphorische Verklammerung. Einige Symbole ziehen sich quer durch das Buch und haben eine ganz besondere Wirkung. Mir hat das wunderbar gefallen. Es ist allerdings auch schwierig, den Handlungsfaden zu bewerten, weil das Drama nie fertiggestellt wurde. Infolge dessen gibt es keine "gültige" Abfolge der einzelnen Szenen. Die Anordnung die ich gelesen habe (EinFach Deutsch von Schöningh) war allerdings durchaus schlüssig und geschickt ausgewählt! Aber auch die Theaterfassung des Dortmunder Schauspielhauses war super! Soll also heißen: Es gibt viele Möglichkeiten den tieferen Sinn dieses Buches zu entschlüsseln, aber auf eine feste Abfolge der Szenen ist man hierbei nicht angewiesen. Ich persönlich finde das total faszinierend!

Obwohl ich einige Zeit gebraucht habe, um die tiefere Bedeutung des Dramas zu erfassen, werde ich es wohl nicht mehr vergessen: Nachdem ich mittlerweile größtenteils die Sprache entschlüsselt habe offenbart sich mir die gesamte Schönheit des Dramas!