Rezension

Die Schuldfrage kommt zu kurz

Schuld - Grit Poppe

Schuld
von Grit Poppe

"Wer bin ich?" (Erster Satz)
Als Jana's Vater in der Hauptstadt einen neuen Job erhält, ziehen sie kurzerhand vom Land nach Berlin. Sich dort einzuleben fällt Jana aber sichtlich schwer, da sie in ihrer Klasse als Landei gilt. Nur Jakob nimmt Jana in Schutz, aber wieso tut er das? Schließlich hat Jakob's Familie einen Ausreiseantrag gestellt und Jana's Familie ist, wie es sich gehört, Parteimitglied und soll sich, laut ihren Eltern, von solchen Leuten fernhalten..
Dennoch kann Jakob sich nicht von Jana fernhalten und öffnet ihr so Stück für Stück die Augen. Jana weiß jedoch immer noch nicht so recht, ob sie ihm vertrauen kann, schließlich wollen ihre Eltern nur das beste für sie.

Meinung:
Mir fiel es mal wieder sehr leicht in den Schreibstil der Autorin zu finden, da sie sich zwar immer ernste und zum Nachdenken bewegende Themen aussucht, aber als Ausgleich ihre Bücher mit einem lockeren Schreibstil versieht.
Dennoch gab es einen entscheidenden Unterschied zu den anderen Büchern von Grit Poppe, die ebenfalls auf der Geschichte der DDR basieren, und zwar die Protagonistin. Denn diese überraschte mich mit Naivität, Unwissenheit und somit einem sehr kindlichen Touch, den ich aus 'Weggesperrt' und 'Abgehauen' nicht kannte. Das war auch einer der Gründe wieso ich mich mit Jana lange nicht anfreunden konnte. Da sie in einem behüteten Haushalt aufgewachsen ist und ihr nie etwas schlimmes in Bezug auf die Politik in der DDR widerfahren ist, ist es ihr auch noch nie in den Sinn gekommen, diese Politik zu hinterfragen. Immer wieder wunderte sie sich deshalb, wieso so viele Menschen aus der DDR flüchteten. Verstehen tut sie es jedoch nicht.
Ganz im Gegensatz zu Jana wusste der Protagonist Jakob genau was in dem Land schief läuft und fordert Freiheit in jeder Hinsicht. Er ist auch der Grund, wieso Jana erste Zweifel kommen. Denn als sie sich anfängt mit ihm zu treffen, fangen ihre Eltern an ihre Entscheidungen zu hinterfragen und versuchen sie wieder auf die, ihrer Meinung nach, 'richtige Bahn' zu lenken. Dies weckt aber ihre neugierige Seite, da sie nicht nachvollziehen kann, wieso ihre Eltern eine Jungen, den sie nicht kennen und der Jana's Einschätzung nach nichts böses getan hat, so ablehnen.

So handelt auch ein großer Teil des Buches über Jana's Selbstfindung, die durch Jakob ausgelöst wird. Diesen Teil zu lesen viel mir recht schwer, da ich mich mit Jana nicht identifizieren konnte, und sie die meiste Zeit recht unsympathisch war, da sie kaum handelte und nur dazu im Stande war Fragen über Fragen zu stellen. Auch ihre Tagebucheinträge waren meiner Meinung nach sehr kindlich.
Auch mit Jakob brauchte ich einige Seiten um warm zu werden, aber spätestens als er anfing aktiv gegen die Politik der DDR vorzugehen wurde er immer sympathischer. Vor allem gefiel mir seine Art, weil er trotz seiner Aussichtslosen Situation immer recht munter war und sich rasch entwickelt, so dass er immer sein Bestes gab um mit den Konsequenzen seines Handelns klarzukommen.
Aber das waren noch nicht alle Perspektiven, die das Buch zu bieten hat, denn am besten haben mir die Stellen gefallen, die von der 14-Jährigen Jana aus, in der Zukunft spielten. In der Zeit nach dem Mauerfall und als Jana schließlich entdeckt was damals tatsächlich geschehen ist. Dies waren auch die Stellen, die mich am meisten berührt haben und viele Gefühle in mir ausgelöst haben.
Leider bleibt aber die Schuldfragen während des ganzen Buches eher im Hintergrund, was ich eigentlich nicht erwartet habe. Auch der Teil, der die Menschen über die Verhältnisse der Menschen informieren sollte, schien mir hier um einiges geringer als in den anderen Werken von Grit Poppe

Fazit:
Leider hat sich Jana, wider meinem Erwarten, nur sehr wenig mit der Schuldfrage auseinandergesetzt. Auch der Teil, der mich bis jetzt über die Verhältnisse der DDR aufgeklärt hat, kam hier deutlich zu kurz. Dennoch war es bewegend mit Jakob und Jana, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ihre Kämpfe auszutragen. Doch am meisten habe ich empfunden als Jana 3 Jahre später die Wahrheit über sich und Jakobs Schicksal erfahren hat, deshalb kann ich das Buch trotz kleiner Mängel an junge Leser, die Interesse an der Geschichte der DDR haben, empfehlen.