Rezension

Die Sprache überzeugt - das Konzept leider nicht!

Briefe an Charley - Annette Pehnt

Briefe an Charley
von Annette Pehnt

Meinen Eindruck zu diesem Briefroman – es ist mir nicht ganz klar, ob man ihn überhaupt als solchen bezeichnen kann, da klassische Bestandteile wie Anrede und Grußformel fehlen – in Worte zu fassen, fällt mir unheimlich schwer. Grund dafür sind meine zwiespältigen Gefühle beim Lesen. Gerade zu Beginn war ich oft versucht, das Buch abzubrechen, weil ich keinen Zugang zur Geschichte fand, doch plötzlich hatte ich mich in die Sprache der Autorin verliebt und wollte am liebsten auf jeder Seite mindestens ein Zitat markieren. Dennoch hat mich das Gesamtkonzept von „Briefe an Charley“ nicht überzeugt.

Eine Frau mittleren Alters schreibt täglich (die Kapitel sind mit fortlaufendem Datum überschrieben) Briefe unterschiedlicher Länge an Charley, der diese jedoch nie bekommt, weil sie sie nicht abschickt. Den meisten Briefen vorangestellt werden Zitate aus Roland Barthes‘ Klassiker „Fragmente einer Sprache der Liebe“ von 1977, die Gedanken rund um das Schreiben und die Liebe umfassen. In den Briefen beschreibt sie Alltagssituationen, wie es zur Trennung von Charley kam und reflektiert zu einem großen Teil auch über das Briefeschreiben an sich. Dieses Grundgerüst des Romans empfand ich generell als ansprechend, wenn da nicht die Unterbrechungen durch „schlechte Geschichten“ und „Versionen über Charley“ wären. Während letzteres noch einigermaßen Unterhaltungswert bot, indem die Autorin der Briefe sich ausmalt wie Charley jetzt wohl lebt, hat sich mir der Sinn von den „schlechten Geschichten“, die genau als solche überschrieben sind, überhaupt nicht erschlossen.

Wie in der Überschrift und eingangs schon angedeutet, haben mich die Ausdrucksweise und der ungewöhnliche Sprachstil der Autorin hingegen sehr angesprochen. Auch wenn ihre teilweise unvollständigen Sätze am Anfang etwas befremdlich wirken, gewöhnt man sich schnell an dieses außergewöhnliche Stilmittel. Vor allem haben es mir Annette Pehnts Gedanken über die Liebe und Beziehungen im Allgemeinen angetan. Sie trifft den Nagel mit ihren Überlegungen nicht nur einmal auf den Kopf (siehe Zitat oben). Woran ich mich aber beim Lesen nicht gewöhnen konnte, war die Verwendung von Großbuchstaben jedes Mal wenn der Name Charley auftauchte. Das störte meinen Lesefluss ungemein und der Sinn dahinter erschließt sich mir auch nicht.

Das Ende von „Briefe an Charley“ hat mir gut gefallen: Es ist ein befriedigender Abschluss, der zudem für mich nicht vorhersehbar war.

Mein Fazit: Annette Pehnt ist definitiv eine Schriftstellerin vor der man aufgrund ihrer unvergleichlichen Ausdrucksweise den Hut ziehen muss. Das Konzept von „Briefe an Charley“ konnte mich allerdings aus verschiedenen Gründen nicht überzeugen, weshalb ich dieses Buch vor allem Lesern, die einen leichten Liebes-Brief-Roman erwarten, nicht empfehlen kann. Wer allerdings auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Briefroman ist, der von den üblichen Mustern abweicht und durch eine kluge Sprache überzeugt, sollte es mit „Briefe an Charley“ versuchen.