Rezension

Die steinerne Stunde...

Der Duft von Erde und Zitronen - Margherita Oggero

Der Duft von Erde und Zitronen
von Margherita Oggero

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein fesselnder Sommerroman – kraftvoll und emotional Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des Clanchefs sie zu vergewaltigen versuchte, schlug sie mit einem Stein zu. Jetzt soll sie dafür bezahlen. In der Einsamkeit der endlos scheinenden Tage wird Immas Wunsch nach Freiheit immer größer, bis sie sich schließlich stundenweise hinausschleichen kann und den jungen Buchhändler Paolo kennenlernt. Seine Bücher eröffnen ihr eine neue Welt und geben ihr den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Einfühlsam, emotionsgeladen und voll Spannung ist „Der Duft von Erde und Zitronen”. Margherita Oggero entführt uns in die fast noch archaische Welt des italienischen Südens, in der ein Mädchen schließlich durch die Liebe zur Literatur den Mut findet, ihren eigenen Weg zu gehen.

"L´ora di pietra", so lautet der italienische Originaltitel des Buches. Die steinerne Stunde nennt das Mädchen Imma die Momente, in denen das Leben auf der Straße plötzlich zum Stillstand kommt: kein Passant auf dem Gehweg, kein Auto, Motorrad, Fahrrad auf der Straße, die Ladentüren bewegen sich nicht. Die steinerne Stunde dauert manchmal nur eine Minute, doch jeden Tag sitzt Imma am Fenster, hinter den Gardinen aus falscher Spitze, und wartet auf den Zauber.
Imma lebt mit ihren dreizehn Jahren wie eine Gefangene. In der kleinen Wohnung ihrer Extante gibt es nicht viel Ablenkung, oft ist das Mädchen alleine, doch sie darf nicht hinaus. Zu groß ist die Gefahr, dass jemand sie erkennt - und an die Mafia verrät. Denn sie hat sich gegen einen von ihnen zur Wehr gesetzt und fürchtet nun für sich und ihre Familie um die Rache...

Die Tage am Fenster in der Wohnung der Extante scheinen endlos, und Imma sehnt sich nach ihrer Familie, nach der Natur, dem Duft von Erde und Zitronen - etwas, das untrennbar mit ihrer Mutter zusammenhängt.
Ihr Freiheitsdrang wird immer stärker, bis sie sich schließlich stundenweise hinausschleichen kann in die Stadt und dabei den jungen Buchhändler Paolo kennen lernt. Seine Bücher eröffnen ihr eine neue Welt und geben ihr den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen...

Die Geschichte um Imma ist nur ein Teil der Gesamterzählung über eine Familie in einem süditalienischen Dorf, das von der Camorra beherrscht wird. Das Schicksal der Frauen ist es, auf das die Autorin das Augenmerk legt. Wechselnd in Perspektive und Zeitebenen, erfährt der Leser die Geschichte der Großmutter Assunta, einer typischen italienischen Mama, deren Tochter Carmelina und der Enkelin Imma - aber auch die der Extante Rosaria.
Jede der Frauen ist geprägt von der fast noch arachaischen Welt des italienischen Südens, doch jede sucht dabei nach ihrer eigenen (Selbst-)Bestimmung, jede auf ihre Weise. Imma stehen die Bücher zur Seite - durch ihre Liebe zur Literatur erkennt sie schließlich ihren Weg und durchbricht damit die patriarschalische Ordnung...

Das Geschehen bleibt an der Oberfläche, die Sprache ist leicht und eingängig, man fliegt fast durch das Buch. Dabei gewinnen die Charaktere zunehmend an Tiefe, und manchesmal scheint einen der Duft von Erde unt Zitronen beim Lesen zu erreichen...
Die Gestaltung des Buches ist sehr ansprechend, das Cover passend gewählt, ein Lesebändchen zum Einlegen. Einzig der Klappentext hat mich gestört - er verrät einfach schon viel zu viel vom Geschehen, da hätte ich mir deutlich mehr Fingerspitzengefühl gewünscht.

Insgesamt in jedem Fall ein sehr angenehmes Leseerlebnis.