Rezension

Die Suche nach Anerkennung

Die Gesichter
von Tom Rachman

Bewertet mit 5 Sternen

„Den gefeierten Künstler – der nur sein Werkzeug benötigt und nichts weiter von der Welt will -, den gibt es nicht, hat es vielleicht nie gegeben.“

In diesem Meisterwerk erzählt Tom Rachmann das Leben von Charles „Pinch“ Bavinsky, vom Kleinkind (1955) bis 2018. Pinch wird als Sohn eines amerikanischen Malers und einer kanadischen Töpferin in Italien geboren. Sein ganzes Leben strebt er nach der Gunst des Vaters Bear Bavinsky. Dieser bleibt meist unnahbar, beschäftigt entweder mit seiner Kunst oder mit Frauen. Eine Affäre nach der anderen, eine Ehe nach der anderen, fast 20 Kinder… Als der Vater die Familie verlässt stürzt dies die Mutter in eine Depression. Charles muss früh erwachsen werden. Er ist entschlossen, ebenfalls ein großer Künstler zu werden, dem Vater nachzueifern, um endlich dessen Stolz zu erlangen – doch dieser beachtet ihn nicht und erstickt seine Versuche, Bilder zu malen, praktisch im Keim. Die Jahre vergehen, Charles wird erwachsen. Alle paar Jahre kommt es zu lang antizipierten Treffen mit dem Vater. Jedes Mal schafft er es, Charles Leben auf eine andere Art und Weise zu ruinieren. Doch der liebende Sohn, der sich die Anerkennung des Vaters mehr als alles andere wünscht, ist hierfür blind. Und so verfolgen wir Charles sein ganzes Leben. Studium, gescheiterte Beziehungen, schließlich das Niederlassen als Sprachlehrer in London.

Anfangs war ich nicht sicher, was ich von der Geschichte halte, der Erzähler scheint teilnahmslos und distanziert. Dennoch schafft Rachmann, eine komplex versponnene Geschichte zu erzählen, ohne dem Leser zu viel an Meinung in den Mund zu legen, so dass sich jeder seine eigene Meinung über die verschiedenen Beziehungen zwischen den Charakteren bilden kann. Die Protagonisten sind sehr lebensnah und gut aufgebaut. Der Kunst-Aspekt bringt interessante Gedanken zu Tage. Es gefiel mir, Charles sein ganzes Leben lang zu verfolgen – viele Abschnitte regen zum Nachdenken an oder machen traurig. Im Gesamten ein großartiges Werk. Klare Leseempfehlung!