Rezension

Die Suche nach der Identität

Eine Insel zwischen Himmel und Meer - Lauren Wolk

Eine Insel zwischen Himmel und Meer
von Lauren Wolk

Bewertet mit 4 Sternen

Vom Meer wird ein kleines Boot angeschwemmt. Darin befindet sich ein kleines Baby, kaum älter als ein paar Tage. Wo das Baby herkommt, weiß keiner – aber die Menschen der angrenzenden Inseln haben einen schrecklichen Verdacht der mit der gemiedenen Insel Penikese zusammenhängt. Dennoch zieht Osh, der das Boot fand, die kleine Crow wie ein eigenes Kind auf. Abgesehen von ihm und Miss Maggie, die Crow gelegentlich Unterricht gibt, wird die Kleine jedoch von den anderen Bewohnern gemieden. Ihr ganzes Leben verfolgt sie die Frage, wo sie herkommt und warum man sie weggegeben hatte. Erst als auf einer anderen Insel nachts ein seltsames Feuer zu sehen ist, geraten die Dinge ins Rollen und Crow findet mehr und mehr heraus, was damals geschah und wie es mit der Gegenwart zusammenhängt.

Dieser Roman von Lauren Wolk ist für mich keinesfalls nur Jugendliteratur – man kann ihn mit jedem Alter lesen. Die Gefühlswelt von Crow ist so authentisch wiedergegeben, dass man die Person quasi vor sich stehen sieht. Die Verbindungen zu Osh und Miss Maggie sind tatsächlich etwas besonderes, nur begreift Crow das selbstverständlich noch nicht. Der Leser begleitet das Mädchen auf der Suche nach Identität und begleitet gleichzeitig die Erwachsenen, die mit Verlustängsten umgehen müssen.

Gegen Ende erinnert das Buch eher an einen Abenteuerroman, aber die Geschehnisse könnten tatsächlich so passieren, wofür ich dankbar bin, denn ich hatte kurz Angst, die Autorin würde ins Fantasy-Genre abrutschen, was diesem Buch nicht gut getan hätte.

Dennoch meine ich, in dem Buch eine gewisse Magie zu verspüren. Das mag daran liegen, dass die damalige Lebensweise von Osh und Crow als alleinige Bewohner einer kleinen Insel so anders ist, als das, was wir Stadtmenschen heute gewohnt, und es die Autorin schafft, die Idylle und auch die Probleme so darzustellen, dass man das Gefühl hat, in dem kreativ aus Strandgut gebauten Haus zu stehen und tatsächlich den Wind der rauen See zu spüren.

Ein Buch, das ans Herz geht, allein schon anhand der Geschichte der Herkunft von Crow, als auch wegen der Vergangenheit der Menschen auf Penikese. Der Weg zum Erwachsenwerden; das Verlangen nach Informationen über die Herkunft; der Wunsch, das nicht zu verlieren was man hat und dennoch zu erfahren, wo man herkommt; all diese Dinge werden mit einer Kraft erzählt, die die Gefühle für den Leser greifbar macht.

Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches ist meiner Meinung nach, dass die Geschichte um die Insel Penikese tatsächlich zu großen Teilen historisch akkurat ist und mich betroffen und nachdenklich zurücklässt.

Der einzige Grund, warum ich diesem Buch keine vollen 5 Sterne gebe, ist, dass ich im Mittelteil eines der Rätsel um Crows Herkunft viel zu schnell offensichtlich fand, während es die Charaktere im Buch über mehrere Kapitel hinweg noch nicht einmal vermuteten. Das mag damit zusammenhängen, dass man nach einigen Erfahrungen mit Büchern solche versteckten Hinweise richtig deuten kann und es war auch schon wichtig, dass die Hinweise da waren, aber vielleicht hätten sie noch kryptischer versteckt sein müssen. So musste ich den „Aha“-Effekt, den ich mir von der Herkunft erhofft hatte, leider vermissen, da ich schon lange vorher selbst drauf gekommen war.  Mehr möchte ich dazu jetzt nicht sagen, um von der Handlung nichts zu verraten.

Nichtsdestotrotz ist dieses Buch auf jeden Fall weiterzuempfehlen, ich hatte viele schöne Momente beim Lesen und werde es bestimmt in meinem Schrank behalten und an einem schönen Tag herausnehmen um es erneut zu lesen.