Rezension

Die Thalheim Schwestern

Die Schwestern vom Ku'damm - Brigitte Riebe

Die Schwestern vom Ku'damm
von Brigitte Riebe

Bewertet mit 3.5 Sternen

~~Mit „Wunderbare Zeiten“ findet die Geschichte um die Geschicke der Thalheims und ihres Modehauses eine Fortsetzung. Wir sind mittlerweile in den frühen Fünfzigern angekommen und dieser Band stellt nun das Leben der mittleren Schwester Silvie in den Vordergrund. Ganz im Gegensatz zu Rike, sieht sie ihre Bestimmung eher beim Rundfunk. Dort hat sie sich inzwischen einen Namen gemacht und ihre Sendung „Stimmen“ ist zu einem Erfolgsformat geworden.

Doch in ihrem Privatleben sieht es nicht so erfolgreich aus. Sie hat die unglückliche Liebe zu Ben Green einigermaßen überwunden, aber immer öfter denkt sie an das Kind, das nicht zur Welt kommen konnte. Doch dann stürmt der junge Schauspieler Wanja in ihr Leben und Silvie weiß, sie kann wieder nur verlieren. Wanja ist charmant und egozentrisch, unbeständig und stürmisch, aber wenn Silvie liebt, dann mit Haut und Haar. Doch wieder muss sie erleben, dass ihre Gefühle tiefer sind, als die ihres Partners.

Zudem fordert das Familienunternehmen ihre Kraft. Oskar, ihr Zwillingsbruder kann seine Kriegserlebnisse nicht vergessen und agiert nicht unbedingt als Geschäftsmann, das Modehaus muss sich neuen Konkurrenten und Herausforderungen stellen.

Was für eine dramatische Geschichte! Wunderbar eingebettet in die aufregende Zeit des Wiederaufbaus und dem Beginn des Wirtschaftswunders. Brigitte Riebe verwebt auf lebendige und farbige Weise die Geschichte der beiden jungen deutschen Staaten mit einem vielschichtigen Familiendrama. Damit wird Historie greifbar. Kleine Anekdoten aus der Zeit werden in die Handlung eingeflochten, man trifft die Stars der Zeit, wie O.W. Fischer und Maria Schell, aber auch ernste Themen kommen zu Wort.

Besonders gefiel mir die Beschreibung der unterschiedlichen Entwicklung der getrennten Zonen. Ich hatte diesen Prozess nicht so schleichend und vor allem nicht so früh spürbar in Erinnerung. Arbeiterinnen aus dem Osten, die im Westen für niedrigere Löhne schufteten – das ist keine Erfindung der Gegenwart, schon 1952 nutzten findige Unternehmer das Lohngefälle. Im Anhang gibt es eine Zeitleiste, die die geschichtlichen Ereignisse noch einmal aufführt. Ein für mich interessanter und wichtiger Anhang.

Die Protagonistin Silvie ist schon ein wenig weiter in Unabhängigkeit, als es die ältere Schwester sein konnte. Das Frauenbild, das die Autorin zeichnet, hat mir gut gefallen und passt auch sehr gut in den geschichtlichen Kontext. Schon aufbegehrend, ihr Recht auf Selbstbestimmung und eine eigene Sexualität fordernd, aber noch von den Anschauungen der 50iger gebremst und eingeengt.

Das macht neugierig, wie die Autorin die jüngste Tochter als Mittelpunkt des nächsten Bandes  zeichnen wird.