Rezension

Die Töchter der Feministinnen

Die Zehnjahrespause - Meg Wolitzer

Die Zehnjahrespause
von Meg Wolitzer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Amy, Roberta, Jill und Karen sind Mütter und Nur-Hausfrauen der New Yorker Mittelschicht, die jeden Morgen ihre schulpflichtigen Kinder antreiben, damit sie  pünktlich zur Schule kommen. Bei Müttern 10-jähriger Kinder, die ganztags in der Schule sind, könnte man sich fragen, womit die Damen ihre Zeit verbringen, außer sich regelmäßig  im Stammcafé „Golden Horn“ zu treffen. Zu Beginn des Romans scheint Amy im Mittelpunkt der Handlung zu stehen, deren Mann Leo erfolgreicher Anwalt ist. Trotz Leos überdurchschnittlichem Einkommen lebt das Paar in seiner Mittelstands-Blase (samt Privatschule für Sohn Mason) über seine Verhältnisse und hält sich dabei für arm. Vor der Geburt ihres Sohnes hatte Amy mit Leo gemeinsam in einer Kanzlei gearbeitet. Da sie sich zwar für ein Jura-Studium entschieden hatte,  aber für keinen konkreten Beruf, hat sie sich inzwischen weder fortgebildet, noch andere Ziele angestrebt. Dass ihr Sohn längst eigenen Interessen folgt, scheint Amy erst spät zu registrieren. Das einzig Interessante an Amy scheint ihre Mutter zu sein, die vor 30 Jahren an einer Frauengruppe teilnahm und seitdem noch immer feministische Historienromane schreibt. Amy und ihre Schwestern mussten als Kinder früh  lernen, allein klarzukommen. Ihre Mutter hoffte, dass ihre Töchter es einmal leichter haben und  in ihrer Partnerschaft nicht um die Hausarbeit streiten würden. Mit Amys Mutter Antonia legt Meg Wolitzer im bereits 2008 erschienenen „The Ten Year Nap“ den Faden aus für ihr Thema der undankbaren Töchter feministischer Mütter, die die Errungenschaften der Frauenbewegung als selbstverständlich hinnehmen und zu wenig wertschätzen. 2018 wird Wolitzer den Faden in „Das weibliche Prinzip“ wieder aufnehmen.

Amy wirkt auf mich wie eine noch unbemalte Leinwand, die dazu dient, ihre Freundinnen und deren Herkunftsfamilien darzustellen. Roberta ist Künstlerin und mit einem Partner verheiratet, der ebenfalls andere Träume hatte als für den Unterhalt seiner Familie zu buckeln. Karen, Tochter chinesischer Einwanderer, testet regelmäßig in Bewerbungsgesprächen ihren Marktwert als Datenanalystin, ohne jedoch eine Stelle anzunehmen. Jill und ihr Mann sind frisch in einen Vorort gezogen und haben nach langem vergeblichen Kinderwunsch ein Waisenkind aus Sibirien adoptiert. Im ersten Schuljahr wird deutlich, dass Nadia in ihrer Entwicklung zurückgeblieben ist und ohne intensive Unterstützung mit ihren Mitschülern nicht mithalten kann. Jede im Mütter-Quartett empfindet individuell den Druck, bitte endlich etwas zu leisten, ohne sich bewusst zu werden, dass ihre allein verdienenden Partner diesem Druck ohne die „Zehnjahrespause“ ausgesetzt sind. Die Handlung spielt in der Zeit nach 2001 und zeigt in Rückblenden in die 60er und 70er Jahre, wie die vier Frauen aufwuchsen und von ihrer Herkunftsfamilie geprägt wurden.

Der „Zehnjahrespause“ ist deutlich anzumerken, dass der Roman bereits vor 10 Jahren verfasst wurde. Meg Wolitzer beobachtet präzise die Generation der Post-Spekulum-Generation, die im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends nicht mehr um Verhütung und Schwangerschaftsabbruch kämpfen muss, und schildert ihren Alltag so ausschweifend wie humorvoll. Gemessen an den beschriebenen Alltäglichkeiten war mir der Stil der deutschen Ausgabe ein wenig zu elitär (ein Kind besucht einen Kindergarten, ein Familienleben wird gestaltet, ein Vorstellungsgespräch absolviert) und die Übersetzung aus dem Englischen ist nicht fehlerfrei. Die Diskrepanz zwischen Inhalt und Stil habe ich in „Das weibliche Prinzip“  ebenso empfunden.

Dass die farblos wirkende Amy (auf dem Umweg über ihre feministische Mutter) auf Kosten anderer Figuren sehr breiten Raum erhält, hat mich nicht unbedingt begeistert. Wolitzers Mittelschicht-Figuren verkörpern Klischees, von den in die Rolle lebensuntüchtiger Väter gedrängten Karrieremännern, über die begabte Tochter chinesischer Einwanderer und ihren erfolgreichen Banker-Ehemann bis zur Akademikerin mit tickender biologischer Uhr wird alles geboten. Veränderungen der Väterrolle schienen sich vor 10 Jahren zum Glück am Horizont abzuzeichnen. Das Ende der "Pause" kommt recht hastig mit der Botschaft, dass Geld beruhigt, aber nicht glücklich macht.