Rezension

Die Toten erzählen

Das Feld
von Robert Seethaler

Wenn die Toten auf ihr Leben zurückblicken könnten, wovon würden sie erzählen? Einer wurde geboren, verfiel dem Glücksspiel und starb. Ein anderer hat nun endlich verstanden, in welchem Moment sich sein Leben entschied. Eine erinnert sich daran, dass ihr Mann ein Leben lang ihre Hand in seiner gehalten hat. Eine andere hatte siebenundsechzig Männer, doch nur einen hat sie geliebt. Und einer dachte: Man müsste mal raus hier. Doch dann blieb er. In Robert Seethalers neuem Roman geht es um das, was sich nicht fassen lässt. Es ist ein Buch der Menschenleben, jedes ganz anders, jedes mit anderen verbunden. Sie fügen sich zum Roman einer kleinen Stadt und zu einem Bild menschlicher Koexistenz. – Hanser-Verlagsseite

In den Romanen, die Seethaler bisher veröffentlichte, steht jeweils eine Figur im Mittelpunkt, deren Leben entweder ganz oder in einer bestimmten Zeitspanne erzählt wird. Hier entwickelt der Autor Biographien verschiedener Personen, erzählt also komprimierte Viten, und das besonders daran ist: Die Figuren erzählen rückwirkend als Tote. Ihnen allen ist nur der Ort gemeinsam, an dem sie lebten, das fiktive Paulstadt, und der Friedhof, auf dem ihre Gräber liegen, nämlich das titelgebende „Feld“ in Paulstadt.

Für mich ist die größte Stärke des Buches gleichzeitig seine größte Schwäche: Wie ein guter Karikaturist, der mit eine paar Strichen ein Gesicht zeichnet, das man sofort erkennt, zeichnet Seethaler Lichtblicke eines Lebens, kurze Passagen oder Knapp-Biographien der Figuren, die aus der Distanz des Todes zurückblicken. Hat man sich als Leser mit einer Figur angefreundet und wäre interessiert an weiteren Schilderungen, ist das Kapitel zu Ende, und man muss sich der nächsten zuwenden.

Jeder könnte Protagonist eines eigenen Romans sein. Was der Autor wohl nicht gewollt hat.

Von welchem Ort sich die Toten melden, spielt keine Rolle. Mehrmals wird gesagt, dass Gott nicht existiert (und somit kein ewiges Leben in irgendeinem Jenseits), dass man aber als Toter Erinnerungen besitzt, den liebsten Menschen zugewandt bleibt und das Sterben in der Rückschau als ganz natürlich und nicht besonders schlimm empfindet.

Seethaler schreibt großartig in ruhiger, einprägsamer und poetischer Sprache. Für die Lebendigkeit seiner Figuren sorgen vor allem seine ungewöhnlichen Bilder und der ihm eigene Blick auf die entscheidenden und besonderen Merkmale.

Ein empfehlenswertes Buch, aber: Nicht täuschen lassen von der Gattungsbezeichnung „Roman“.