Rezension

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Die Umsetzung des interessanten Gedankens hat mir nicht gefallen

Ich bin Tess - Lottie Moggach

Ich bin Tess
von Lottie Moggach

Bewertet mit 2.5 Sternen

Nach dem Tod der Mutter zieht die junge Leila in eine neue Wohnung in einem fremden Stadtteil. Da ihre Arbeit als Softwaretesterin ihr viel freie Zeit lässt, verbringt Leila die Stunden in Internetforen und Chats. Über eines dieser Foren bekommt sie Kontakt zu Tess, die ihr Leben beenden möchte, ohne ihrer Familie und ihren Freunden Kummer zu bereiten. Leila erklärt sich einverstanden, online Tess‘ Leben zu übernehmen.
Der Gedanke, der hinter dem Roman „Ich bin Tess“ steht, fand ich äußerst faszinierend: Inwieweit ist es möglich, sich online für eine andere Person auszugeben, ohne dass diejenigen, die diese Person tatsächlich kennen, irgendetwas davon merken?
Die Umsetzung gefiel mir dagegen schon weniger und ich glaube, unter anderen Umständen hätte ich das Buch nicht zu Ende gelesen. Zu viel Zeit wird z. B. darauf verwendet, zu erläutern, wie Leila ihre Informationen über Tess sammelt und wie schwierig sich die Zusammenarbeit mit Tess selbst gestaltet. Über Leilas Aktivitäten als Tess im Internet erfährt man im Verhältnis dazu relativ wenig, höchstens dass sie Tess‘ Status bei facebook aktualisiert oder einer von Tess‘ Freundinnen eine erfundene Geschichte über ihren angeblichen Aufenthaltsort via email erzählt. Das alles wirkt, als wäre es in der Tat ein Kinderspiel, sich als eine andere Person auszugeben.
Durch ihren eher isolierten Lebensstil, Leila hat sich jahrelang um ihre kranke Mutter gekümmert und daher keinerlei sozialen Kontakte, wirkt Leila zudem äußerst naiv auf mich. Das zeigt sich z. B. an der Geschichte, als sie die Strafzettel für den Bauarbeiter verschwinden lässt, gerade so, als ob er sie deshalb nicht bezahlen müsste. An anderer Stelle wirkt sie wiederum sehr arrogant und man merkt, dass ihr das zwischenmenschliche Fingerspitzengefühl fehlt.
Doch auch bei Tess ging es mir oft genauso. Wer kündigt z. B. einer Freundin die Freundschaft, nur weil sie einen Hund nicht streichelt? Weder in Leila noch in Tess konnte ich mich also wirklich hineinversetzen. Auch habe ich mich gefragt, warum Tess den Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden nicht selbst langsam ausklingen lässt, so wie es für Leila vorgesehen ist, anstatt auf jemanden zu warten, der diese Arbeit für sie „erledigt“. Das eher offene Ende hatte dann schon wieder etwas für sich und jeder kann nun selbst entscheiden, wie es mit Tess nach ihrem „Auschecken“ weitergegangen ist.
Fazit:
Frau Moggach hat ein interessantes, aktuelles Thema aufgegriffen, aber nicht wirklich zielführend dargestellt.