Rezension

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Die Vergangenheit bringt die Gegenwart und die Zukunft

Kastanienjahre - Anja Baumheier

Kastanienjahre
von Anja Baumheier

Bewertet mit 5 Sternen

"Kastanienjahre" ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt. Handlungsorte sind einerseits Paris und der fiktive Ort Peleroich. Es beginnt im Winter 2018 in paris, wo die achtundfünfzigjährige Elise Petersen seit gut mehr als 20  Jahren lebt. Dort unterhält sie eine Boutique. Durch den Besuch ihrer Freundin aus Deutschland wird sie an ihren Heimatort Peleroich erinnert, der nun lt. einem Zeitungsausschnitt dem Erdboden gleich gemacht werden sollte. Und das schon bald. Es war Jahre her, dass Elise dort war. Die Erinnerungen daran schmerzten dochnoch irgendwie, zumal sie bis heute nicht wußte, was damals mit ihrem Freund Jakob geschehen war. Über Nacht war er spurlos verschwunden und Elise hatte ihn auch nach dem Mauerfall nicht auffinden können. Zum gleichen Zeitpunkt erhält sie einen anonymen Brief mit der Bitte, dringend nach Peleroich zu kommen. Ein Freund, so die Unterschrift, wollte seine Schuld offenbaren, zum einen was den Tod ihres Vaters betraf und um Jakobs Verschwinden.
Zitat S. 73
"... Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen."
Der geschichtliche Hintergrund erzählt über das Leben Anfang der Fünfziger Jahre und fortlaufend. So war das halt damals in den Zeiten von Ostdeutschland. In wechselnden Passagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es zeigt auf die Gründung des Staates, die Entwicklung und auch das sozialistische Denken. Wer neben der Spur lief, musste damit rechnen, überwacht zu werden. Was nach dem Mauerbau noch extremer wurde. Da blieb es nicht aus, dass die Leute in den Westen flüchten wollten. Peleroich, ein fiktiver Ort, lag nahe der Ostsee.
Am Anfang des Buches ist eine Auflistung der handelnden Personen. So bekommt man schon einen Blick auf die Figuren. Im Prinzip wird die Geschichte von ca. 1950 bis 2018 erzählt. Das Zeitgeschehen ist glaubwürdig geschrieben und gut recherchiert. Ich bin zwar im Westen geboren und aufgewachsen, habe aber dennoch durch die Vorgeschichte meiner Mutter viele Jahre meiner Kindheit in den Ferien und auch später "drüben" miterlebt. Die Geschichte der jungen Elise Petersen, die zwei Freunde hat und sich dennoch nicht entscheiden kann. Und was hat der Tod von Elises Vater mit Jakobs Verschwinden zu tun? All diese offenen Fragen, hier hofft Elise nun auf Antworten.
Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft und lässt den Leser in eine großartige Geschichte eintauchen. Die vorn im Buch gezeichnete Karte vervollständigt dies. Der geschichtliche Hintergrund fließt gut in die Handlung ein. Ebenso die individuellen Charaktere stellen sich lebendig dar.
Nach "Kranichland" ist "Kastanienjahre" erneut ein wunderbares Buch aus der Feder der Autorin, dem ich gern meine Leseempfehlung gebe. Es ist nicht nur so eine fiktive Geschichte, die Vergangenheit könnte eine wahre Begebenheit gewesen sein.