Rezension

Die Verwirrungen der Liebe in einer sehr prüden Zeit der deutschen Geschichte

Effi liest - Anna Moretti

Effi liest
von Anna Moretti

Bewertet mit 5 Sternen

Bei einem Spaziergang entdeckt Effi ein verstecktes Buch über die Psychologie der Gefühle. Als sie neugierig darin liest, wird sie von einer strengen Lehrerin ertappt und muss schließlich sogar das Mädchenpensionat verlassen. Auf der Suche nach Antworten muss sie sich nicht nur den prüden Vorbehalten ihrer Zeit stellen.

Elena Sophie von Burow wird von Freunden und Familie nur Effi genannt. Sie geht auf ein Pensionat für höhere Töchter und soll dort auf die Ehe vorbereitet werden, indem sie Vorlesungen zu Anstand, Anmut und Allgemeinbildung erhält. Viel wichtiger erscheint Effi jedoch die Frage, was nach dem Um-die-Hand-Anhalten passiert. Als sie auf einem Spaziergang unter einem Stein ein Buch über die Psychologie der Gefühle findet, will sie diese Wissenslücke unbedingt schließen. Leider wird sie schon nach dem Lesen weniger Sätze von ihrer Lehrerin erwischt und schließlich sogar wegen skandalösem Verhalten der Schule verwiesen. Effi kann die Aufregung um das Buch nicht verstehen. Es ist ihr unbegreiflich, warum das Lesen eines Buches Gesundheitsschädlich sein soll. Sobald sie zu Hause ankommt, versucht sie besagtes Buch zu lesen. Das entpuppt sich jedoch als schwieriger als gedacht, denn bei Frauen wird die Wahl der Lektüre auf das penibelste überwacht. Große Hoffnung setzt Effi bei ihrem Drang nach wissen in den jungen Arzt Max von Waldau. Schon sehr bald fliegen die Funken zwischen den beiden. Einem romantischen Happy End stehet jedoch jede Menge Prüderie, Vorurteil und medizinisches Halbwissen im Weg.

Der Roman spielt 1894 in Berlin. Sigmund Freud veröffentlicht die ersten Überlegungen zu Sexualität und deren Verbindung zu psychischen Problemen sowie Forschungen zur sogenannten weiblichen Hysterie. Einen anderen Ansatz zu den Themen verfolgte der Berliner Arzt Wilhelm Fließ. Gemeinsam versuchten sie das Problem durch eine Operation an der Nase bei Frauen zu beheben. Genau in diese und andere historischen Fakten wurden geschickt mit der Handlung verwoben. Die damaligen Forschungsergebnisse beeinflussen sehr stark den verliebten Max von Waldau und führen letztendlich zu Fehldiagnosen bzw. Vorurteilen die in seiner Beziehung zu Effi Verwirrung stiften.

Effi ist eine selbstbewusste, lebenslustige, temperamentvolle junge Frau, die von ihrem Vater entgegen dem damaligen Gesellschaftsbild unvoreingenommen unterstützt wird. Sie überredet ihren Vater sogar, sie bei einem Psychologiestudium zu unterstützen. Effie muss hart dafür kämpfen zum Studium zugelassen zu werden. Vor allem aber kämpft sie gegen die männliche Arroganz, welche Frauen jegliches Recht auf Meinung, Bildung und Selbstbestimmung abspricht. Sie lebt in einer Zeit in der Sexualität als dunkle, gefährliche Macht gilt die vor allem Frauen bedroht. Für das sensible weibliche Geschlecht ist es sogar gesundheitsschädlich ein Anatomiebuch zu lesen und vollkommen unmöglich eins zu kaufen.

Die Geschichte wird von Effi in der ich-Form im Präteritum erzählt. Ergänzt wird die Erzählung durch zahlreiche Briefe, welche Max an seinen Bruder Ben schickt. So erhält man beim Lesen noch einen anderen Blickwinkel und kann über die unglaublich eingeschränkte Denkweise von Männern nur den Kopf schütteln. Der Text lässt sich leicht lesen, die Charaktere sind sympathisch und die Beschreibungen des Settings passend.

Für Fans romantischer, historischer, Liebesgeschichten ist es sehr zu empfehlen.