Die Vielschichtigkeit einer Gemeinschaft
Bewertet mit 4.5 Sternen
Obwohl die Bücher von Tana French vor allem in den Kreisen der Bücher-Plattformen immer wieder besprochen und gelobt worden sind, war „Der Sucher“ für mich das erste Buch der Autorin.
Das Buch wartet nicht auf mit einer spannenden Handlung voller hektischer Action, sondern besticht eher durch absolute Schlichtheit. Nie wird die Handlung langweilig, als Leser möchte man ähnlich wie Cal einfach irgendwann wissen, was vorgefallen ist, bleibt deshalb am Ball. Und wegen der wunderbaren Beschreibungen der irischen Landschaft.
Um ehrlich zu sein ist auf den fast 500 Seiten sehr wenig passiert – und gleichzeitig doch auch wieder so viel. Die Handlung, würde sie auf die wichtigsten Punkte gekürzt werden, würde zugegebener Weise sehr kurz und dürftig ausfallen.
Doch was in diesem Roman als Verflechtungen innerhalb der Gemeinschaft zutage tritt, gefiel mir sehr gut. Es erinnerte mich in Zügen sehr an „Ein plötzlicher Todesfall“ von Joanne K. Rowling, da auch dieses Buch den Fokus vor allem auf die Personen des Ortes und ihre Beziehungen zueinander legte.
Ähnlich war es auch in „Der Sucher“. Cal, der als Außenstehender und Fremder in die Gemeinschaft eintritt, deckt mit dem Leser gemeinsam die Verflechtungen des Ortes auf, erkennt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bewohnern und versteht nach und nach die Beziehungen.
Ich finde es von daher gut, dass hier die Genrebezeichnung „Roman“ gewählt wurde, da die Handlung für einen Krimi oder Thriller einfach nicht passend genug ist.
Der Schreibstil hat es mir absolut angetan. Die Beschreibungen der irischen Landschaft haben mir unheimlich gut gefallen. Dabei waren diese Beschreibungen nicht nur ab und an zu finden, sondern waren sehr unterschwellig platziert, so dass ich während des Lesens immer die Landschaft und Orte vor meinem geistigen Auge hatte. Wirklich toll gemacht!
Ansonsten war der Schreibstil teilweise so, wie auch Cal als Protagonist; sehr ehrlich, ohne viele Schnörkel, fast schon nüchtern, aber niemals langweilig.
Die im Hintergrund immer mitschwingenden Frage, was vorgefallen sein könnte, erschuf eine fast schon düstere Atmosphäre, die jedoch immer wieder durch Handlungen mit anderen Nebencharakteren aufgebrochen oder noch weiter verstärkt wurde.
Zwar hat mich das Buch nicht komplett umgehauen, dass ich restlos begeistert wäre, aber ich mochte es. Sehr sogar. Die Charaktere waren wirklich gut ausgearbeitet und sehr interessant, der Schreibstil hat mir ausnehmend gut gefallen, nur ein kleines Bisschen mehr Spannung wäre gut gewesen. Zwar habe ich das Ende so nicht vorrausahnen können, doch wurden mir Zusammenhänge ein paar Mal etwas zu schnell aufgeklärt und hingenommen. Das ist Meckern auf sehr hohem Niveau, machte für mich aber letztendlich den Unterschied zu einer 5-Sterne-Bewertung. Dennoch würde ich dem Buch sehr gute 4 Sterne mit Tendenz zu 4.5 geben.
Ich mochte den Stil der Autorin sehr und werde mir beizeiten auch die anderen Bücher von ihr vornehmen.
Wer sich für vielschichtige Bücher interessiert, die vor allem mit ihren Charakteren bestechen, dem kann ich das Buch empfehlen. Wer jedoch einen Krimi sucht, der wird meiner Meinung nach bei diesem Buch nur in Teilen zufriedengestellt werden.